Seite 91

Die Reise des Fräulein „So-La-La“

Aber alle Verbote und Strafen hielten das Fräulein  „So-La-La“ nicht davon ab, ihren Rachefeldzug fortzusetzen. Mit kaltblütiger Präzision teilte sie die Schläge gegen ihre Widersacher aus.   

Im Siegesrausch hatte sie keinen Blick für den  Schatten, der ihr Leben langsam verdunkelte.

Die Menschen begannen, einen weiten Bogen um sie zu schlagen. Eine nie gekannte Stille breitete  im Haus aus.   

Nach außen weinten die Eltern den gestreckten Zeigefingern, hochgezogenen Augenbrauen und mitleidigen Stimmen keine Träne hinterher.

„Sie sollten Steuern zahlen müssen für ihre Dummheit.“, giftete ihnen die Mutter nach.

„Mögen sie selbst mit solchen Töchtern gesegnet sein.“, wünschte ihnen der Vater gar Schlimmeres an den Hals.

Freunde und Nachbarn, die zum Essen geladen waren, benötigten Nerven aus Stahl, um ein dreigängiges Menü durchzustehen.
Die meisten Gäste flohen bereits nach der Suppe.  In der Regel ergriffen die gepeinigten Opfer nach der ersten Hauptfrage unter fadenscheinigen Ausreden die Flucht.  
Die wenigsten hielten  bis zur Nachspeise durch, ehe auch sie Reißaus nahmen.

Oft blieben bei den überstürzten Aufbrüchen Mäntel, Jacken  und Schuhe zurück.  Mit der Zeit häufte sich eine herrenlose Garderobe an, die niemand zurückforderte, weil die ehemaligen Besitzer das Risiko eines erneuten Besuches scheuten.

Als ein guter Freund der Familie nicht nur fluchtartig das Weite gesucht,  sondern auch seine Telefonnummer geändert hatte,  sprach der Vater ein Machtwort.

„Die Fragen müssen ein Ende haben.“, forderte er seinen eigenen Untergang heraus.

Seit Wochen hatte sich kein Besucher mehr über die Türschwelle gewagt.

Fortsetzung SEITE 92