
Als die Großmutter am Krankenbett auftauchte, hatte sie keinen Schimmer Farbe mehr im Gesicht. Ihre Haut war weiß wie eine frisch gestrichene Wand.
„Es ist miene Schlud, dsas die Wlet utnerghet.“, redete sie sich den Kummer von der Seele.
Die Großmutter griff dem Fräulein „So-La-La“ auf die Stirn. Sie fühlte sich glühend heiß an.
„Es ist miene Schlud, dass die Wlet verbernnt.“, stöhnte das Fräulein „So-La-La“ im Fieberwahn.
Schuldbewusst zog sie das Thermometer unter ihrer Achsel hervor. Der Wert, den die Quecksilbersäule anzeigte, lag zwei Grad über ihrer Normaltemperatur.
Der Anstieg entsprach exakt dem Wert, der die Welt an allen Ecken und Enden ins Schwitzen brachte.
In der Sorge, die sich in der Miene der Großmutter widerspiegelte, konnte man ihre Gedanken ablesen.
Allzu gern hätte sie eine hochgezogene Augenbraue gerupft, einen gestreckten Zeigefinger krumm gebogen oder eine mitleidige Stimme mit einem scharfen Ton zum Schweigen gebracht.
Aber dieses Mal hatten nicht die üblichen Verdächtigen ihre Finger im Spiel. Es war die Stimme aus den Nachrichten.
„Mien Feiber lsäst den Nrodpol schemlzen.“, glaubte sich das Fräulein „So-La-La“ als Verursacher des Unglücks, das die Welt getroffen hatte.
„Die Welt geht nicht unter, weil ein kleines Mädchen mit Fieber das Bett hüten muss.“, brummte die Großmutter.
Ihr Unmut galt den Nachrichtensprechern, die derlei Feinheiten nicht zu unterscheiden wussten.
„Die wahren Schuldigen sind die Motoren.“, grummelte sie und rümpfte verächtlich die Nase.