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Die Reise des Fräulein „So-La-La“

Wie die Mutter des Fräulein „So-La-La“ den Tellerkrieg gewinnt

Als das Fräulein „So-La-La“ frühmorgens erwachte, sprang sie aus dem Bett und stürmte mit pochendem Herzen die Treppe hinunter.  

In der Küche wartete eine Riesenüberraschung auf sie.  Es herrschte blitzblanke Sauberkeit. Nirgendwo erinnerte ein Scherbenhaufen an das nächtliche Gemetzel.

Die Mutter saß im Morgenrock am Tisch und blätterte seelenruhig in der Morgenzeitung, als wäre nichts geschehen.
Lediglich die dunklen Ränder unter den Augen erinnerten an die nächtliche Mühe, ihren gerissenen Geduldfaden zu flicken.

Für einen Moment glaubte das Fräulein „So-La-La“ alles zum Guten gewendet. Da fiel ihr Blick auf die Wand hinter dem Küchentisch. Sofort wich alle Farbe aus ihrem Gesicht.

Die Mauer hatte sich in eine verwüstete Kraterlandschaft verwandelt. Faustgroße Löcher im Verputz bezeugten die  Heftigkeit des Kampfes. In einer notdürftig in den Fensterrahmen geklebten Plastikfolie,  welche die fehlende Scheibe ersetzte, blähte sich der Wind.

Der Pappbecher, aus dem die Mutter ihren Kaffee schlürfte, beseitigte den letzten Zweifel.  Der Tellerkrieg hatte tatsächlich stattgefunden.  

Ohne mit der Wimper zu zucken, verklärte die Mutter das verschwundene Geschirr zu einem harmlosen Haushaltsunfall. Beim  Abwasch  wären ihre einige Teller  aus der Hand gerutscht und zu Bruch gegangen.

Auch für die kaputte Fensterscheibe war sie nicht um eine Ausrede verlegen.

Ein bedauerlicher Unfall, sagte sie.  Ein Nachbarjunge hätte mit seinem Fußball unabsichtlich die Scheibe eingeschlagen.  Den fehlenden Putz an der Wand erwähnte sie mit keinem Wort.

Ohne weitere Erklärung widmete sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Zeitung.

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