Seite 182

Die Reise des Fräulein „So-La-La“

Ihr Vater kletterte abends mit der Aktentasche im Arm bis zu den Sternen hinauf, um das schwerste Gewicht der Welt in den Himmel zu schrauben.   

Aber sonst?

Ihre Großmutter roch nach Hexenschmiere und verbarg das Beweisstück über ihre wahre Natur vor den Augen der Welt in einer abgesperrten Kammer.

Aber sonst?

Eine solche  Geschichte reiste nicht um Welt. Bestenfalls eignete sie sich als Tratsch für die Nachbarn.

Bei einem Spaziergang mit ihrer Großmutter grübelte sie über ihr langweiliges Leben nach.  Im Groll scheuchte sie einen Taubenschwarm auf, der friedlich in einer Wiese saß.  Die Vögel flatterten dicht über dem Kopf der Großmutter in die Bäume hoch. 
Vor Schreck fiel Oma Rosa die Zigarre aus dem Mund. Die glühende Asche hinterließ einen hässlichen Brandfleck auf ihrer Bluse.

„Ich sehe den beleidigten  Mittelpunkt der Welt vor mir, der beinahe die eigene Großmutter zu Asche brennt.“,  knurrte sie.

Nachdem die Feuergefahr gebannt war, sammelte sie ihre Zigarre vom Boden auf und setzte sich auf eine Parkbank.

Das Fräulein „So-La-La“ baute sich breitbeinig vor ihrer Großmutter auf. In ihrem Kopf dampfte immer noch die Wut über ihr ereignisloses Dasein, das sie daran hinderte,  als Geschichte um die Welt zu reisen.
Sie streckte den Zeigefinger aus und tippte ihn zweimal gegen ihre Stirn.

Wer ein Mädchen, dessen einziges Talent es war, aufrecht unter dem Tisch zu stehen, ohne sich den Kopf anzustoßen, zum Mittelpunkt der Welt erklärte,  hatte nichts Besseres verdient.

Fortsetzung SEITE 183