
Es war ein kleiner Schlüssel. Er musste der Großmutter bei ihrem Sturz aus der Tasche gerutscht sein.
Der Ofen in der Küche beheizte die ganze Wohnung. Daher standen alle Türen sperrangelweit offen. Mit Ausnahme einer kleinen Kammer, deren Eingang neben ihrem Schlafzimmer lag. Ein schweres Eisenschloss versperrte neugierigen Augen den Zutritt.
Den Schlüssel dazu hütete Oma Rosa wie ihren Augapfel. Nun lag er eine Armlänge von der Fräulein „So-La-La“ entfernt.
Endlich sah sie die Gelegenheit gekommen, der wahren Natur ihrer Großmutter auf die Spur zu kommen.
Kurzentschlossen griff das Fräulein „So-La-La“ zu. Nun war keine Zeit zu verlieren. Der Streit, den die Großmutter mit der Nachbarin ausfocht, steuerte seinem Höhepunkt zu.
Das Fräulein „So-La-La“ schlüpfte unter dem Küchentisch hervor. Auf Zehenspitzen huschte sie hinter dem Rücken der Großmutter über den Flur. Mit zittrigen Händen steckte sie den Schlüssel ins Schloss. Er passte.
Das wilde Geschrei der Streithähne übertönte das laute Klacken, mit dem der Riegel der Tür aufschnappte. Ein muffiger Geruch schlug ihr aus der fensterlosen Kammer entgegen.
Das Fräulein „So-La-La“ drückte den Lichtschalter. Ein grelles Licht erfüllte den Raum. Er war bis zur Decke hoch mit Kisten und Koffern vollgeräumt. Überall lag der Staub zentimeterdick. In der Mitte stand ein Bett, auf dem sich ein riesiger Kleiderberg stapelte.
In der Zwischenzeit endete der Streit an der Wohnungstür. Oma Rosa trat der Nachbarin gegen das Schienbein, worauf diese aufheulte und ihren Fuß zurückzog. Mit einem lauten Knall fiel die Tür ins Schloss.
Aus den Augenwinkeln sah das Fräulein „So-La-La“ das zu einem roten Feuerball angeschwollene Gesicht der Großmutter auf sich zurasen. Ihr blieben nur noch wenige Augenblicke.