Das Schloss in den Wolken – Teil 1

Einst herrschte in ein mächtiger König in der Welt. Sein Reich erstreckte sich so weit von Osten nach Westen, dass die Sonne darin nicht unterging. Kein Feind wagte es, seine Grenzen in Frage zu stellen. Als Zeichen seiner Macht ließ er auf einem Berg, der dem Himmel am nächsten kam, eine riesige Festungsanlage errichten.

Als die Baumeister ihre Arbeit vollendet hatten, zog er an der Spitze seiner Soldaten durch das fahnengeschmückte Tor in seine neue Residenz ein. Ihm folgte in endlosen Reihen der Tross seiner Untertanen. Wer die Strapazen des Aufstiegs heil überstand, musste sich vor seinem Thron in den Staub werfen. Mit steinerner Miene nahm der König die Lobpreisungen seiner Untertanen entgegen. Niemand wagte es, einen Zweifel auszusprechen. Schon eine hochgezogene Augenbraue, ein gestreckter Finger oder eine zittrige Stimme konnten für den Unglücklichen den Tod bedeuten.

Am Ende der Kolonne plagte sich ein blinder Greis die steilen Berghänge hinauf. Jedem seiner Schritte ging das klackende Geräusch des Stockes voran, mit dem er den Boden abtastete. Es blieb ein Rätsel, wie er es schaffte, die Burg zu erreichen, ohne über eine der unzähligen Schluchten, an denen der Weg vorbeiführte, abzustürzen.

Als man ihm befahl, die sich vor dem König in den Staub zu werfen, weigerte sich der Alte. <Als meine Augen gesund waren, habe ich viele Festungen in deinem Reich gesehen, die auf Hügeln standen, die diesem ähnlich waren, und deren Mauern trotzdem fielen.> Ein Raunen ging durch die versammelte Menge.

Der König tobte vor Zorn. Mit gezücktem Schwert schritt er auf den Blinden zu. Selbst der Tod vermochte den Alten nicht einzuschüchtern. Unbeirrt bot er dem König die Stirn. <Wenn du mir den Kopf abschlägst, nehme ich meine Zweifel mit in den Tod.>, sagte er. Im letzten Moment zuckte der König vor dem tödlichen Hieb zurück. Die Worte des blinden Greises hatten eine unselige Saat in seinen Kopf gestreut. Auf seinen Anweisung ergriffen seine Schergen den Alten und warfen ihn in den Kerker.

Während er in einem finsteren Verließ seinem Schicksal entgegensah, begannen die Soldaten des Königs alle Burgen des Reiches zu zerstören, damit sich die Weissagung nicht erfüllte. Nachdem die letzte Festung dem Erdboden gleich gemacht war, versammelte der König seine Untertanen wieder vor den Toren der Festung. Unter ihren Augen ließ er den Alten aus dem Kerker holen. <Es existiert keine Burg mehr in meinem Reich, die sich gegen mich erheben kann.>, befahl er ihm, seine Zweifel zu widerrufen.

Der Greis blickte den König mit seinen erloschenen Augen an. <Da alle Burgen zerstört sind, ist deine Festung die mächtigste im ganzen Königreich.>, erhob er seine Stimme. Die Antwort stellte den König zufrieden. Großzügig gewährte er seinem Widersacher die Gunst eines Festmahles, bevor der Henker sein Werk an ihm verrichtete. Er sollte dem Tod mit gefülltem Bauch gegenüber treten.

Der Greis dankte ihm die Geste schlecht. <In jungen Jahren habe ich viele Königreiche durchreist, auf deren Hügeln Festungen thronen, deren Mauern nicht weniger uneinnehmbar erscheinen. Was gibt dir die Gewissheit, dass ihre Herrschaft nicht mächtiger ist.> Seine Worte stachelten den Zorn des Königs von Neuem an. Rasend vor Wut erteilte er den Befehl, den Bettler der schlimmsten Folter aussetzen. Erst wenn er dem letzten Zweifel an seiner Macht abschwor, sollte ihm die Gnade des Todes erwiesen werden.

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