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Die Reise des Fräulein „So-La-La“

Die Reise des Fräulein „So-La-La“ 

oder

Der Versuch einer Geschichte um die Welt zu reisen

Die Reise des Fräulein „So-La-La“ erzählt keine Reise im herkömmlichen Sinn. Sie ist auch nicht der Versuch, das Getriebe der Welt zu erklären.

Manchmal ist das Anderssein keine Schwäche, sondern eine Stärke, weil es den Blick öffnet für einen Weg abseits der ausgetretenen Pfade.

Das Fräulein „So-La-La“ ist anders als andere Mädchen. Sie kann nicht richtig sprechen. Ihre Zunge spielt verrückt. Sie ist ein Clown, der ihr jedes Wort im Mund verdreht und sie zum Gespött der hochgezogenen Augenbrauen, gestreckten Zeigefinger und mitleidigen Stimmen macht. Dabei steckt ihr Kopf voller Geschichten.

Ihre Reise dient dazu, diese Geschichten zu erzählen.  

Vorwort des Autors

Mein Kopf erfindet Geschichten, seit ich mich erinnern kann, und ich erinnere mich ein halbes Menschenleben lang zurück.
Die hochgezogenen Augenbrauen, gestreckten Zeigefinger und mitleidigen Stimmen werden vergeblich nach ihnen suchen. Sie liegen in dunklen Schubladen begraben. Alle bis auf eine.

Vor einigen Nächten stand sie plötzlich in meinem Schlafzimmer. Der Mond stand hoch am Himmel, als sie sich an meine Bettkante setzte. Man sah ihr deutlich an, dass sie älter geworden war. Auch Geschichten altern mit der Zeit. 

Obwohl zwischen unserer letzten Begegnung ungezählte Jahre lagen, erkannte ich sie sofort. Es stand nichts zwischen uns. Ihre Stimme flüsterte mich aus dem Schlaf wie eine vertraute Melodie, die ein Streicher aus einer sanften Geige zog.

Nicht viele wissen von ihr. Meine Töchter Laura und Sophie waren  die einzigen Ohrenzeugen, wenn ich ihnen an langen Winterabenden von ihr erzählte.
 
Inzwischen ist viel Zeit vergangen. Die kleinen Mädchen sind ihren Kinderschuhen entwachsen. Ihre Zimmer sind leergeräumt. 

Mit ihrem Weggang verstummte auch die Geschichte, die ich für sie erdacht hatte. Lange glaubte ich sie vom Äther der Welt verschluckt. Bis ein heftiger Windstoß die Gardinen des offenen Fensters hochwirbelte und sie in meinem Kopf wieder lebendig wurde.

„Hallo.“, sagte die Geschichte.
„Hallo.“, erwiderte ich verdutzt.

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