
Wie das Fräulein „So-La-La“ den Zauber entdeckt, der alle Geschichten erzählt
Seit das Fräulein „So-La-La“ die alten Bücher in der Dachkammer des Vaters entdeckte hatte, kreiste ihr ganzes Denken um einen einzigen Wunsch. Irgendwann wollte sie eine Geschichte sein, die in einem Buch um die Welt reiste.
Nichts bot mehr Abwechslung als das Leben, das die Geschichten führten.
Sie waren in allen Sprachen und in jedem Zeitalter zuhause. Kein Kostüm und keine Kulisse waren ihnen fremd. Sie hatten nicht ein Leben. Ihnen standen abertausende zur Auswahl.
Schon mit den ersten Sätzen verschwamm die Welt vor Augen. Die eigenen Gedanken verloren sich im Gewirr fremder Stimmen, die durch den Kopf schwirrten.
In ihrem Charakter zeigten sie sich launisch wie das Meer. Ruhig und glatt an einer Stelle. Aufbrausend und stürmisch an einer anderen.
Ob sie zum Lachen anstachelten oder zu Tränen rührten. Ob mit ihnen der Puls raste oder die Augenlider schwer wurden. Ob sie mit lautem Gepolter die Aufmerksamkeit auf sich lenkten. Oder auf leisen Sohlen ihrer Wege gingen.
In ihrer Begleitung durfte man alles wagen. Wie verschlungen die Pfade waren, an denen sie ihre Zuhörer entlang führten. In welche Abgründe man an ihrer Seite blickte.
Nach dem letzten Satz zerstoben die Bilder im Kopf wie Sand, den man in den Wind warf. Alles löste sich in Luft auf. Nichts war tatsächlich geschehen. Einzig die Zeiger der Uhr hatten sich ein Stück im Kreis gedreht.
Aber bei aller Begeisterung quälte das Fräulein „So-La-La“ unentwegt die gleiche Frage.
Gaben die Geschichten alle Geheimnisse preis? Oder behielten sie das Allerbeste für sich?
Vielleicht dienten die Bilder, die sie in ihren Kopf zauberten, bloß dem Zweck, den wahren Kern der Geschichten im Verborgenen zu halten?