Seite 10

Die Reise des Fräulein „So-La-La“

Wie das Fräulein „So-La-La“ in Erscheinung tritt

Wer dem Fräulein „So-La-La“  begegnete, tat sich schwer, in ihrer fein gepinselten Gestalt ein Geschöpf aus Fleisch und Blut zu erkennen. Sie war schmal wie eine Scheibe Brot, wog weniger als ein Sack Hühnerfedern und passte aufrecht unter jeden Küchentisch, ohne mit dem Kopf anzustoßen.  

Auf ihrer Nase versammelten sich mehr Sommersprossen als sie Zähne im Mund hatte. Wenn sie lachte, strahlte ihr Gesicht wie ein frisch gepflückter Blumenstrauß.

Der Umfang ihrer Hüften beschrieb einen Kreis, der sich mit einem Daumen und einem Zeigefinger umfassen ließ.  Ihre Arme stachen wie dünne Zahnstocher durch die Luft. Und ihre Beine maßen an der stärksten Stelle nicht mehr, als ein Malstift breit war.

Der einzige Körperteil, der dem zierlichen Bauwerk widersprach, war der Kopf.  In seiner Form glich er einem bis zum Platzen aufgeblasenen Luftballon. Durch eine Laune der Natur thronte er auf einem Hals, der lediglich dafür gebaut war, das Gewicht einer Seifenblase zu tragen. Es war dem dschungelartigen Wildwuchs einer rotblonden Mähne zu verdanken, dass er nicht unter seiner Last zusammenbrach. Von einer scharfen Schere geerntet, wäre es ein Leichtes gewesen, einen Elefanten damit auszustopfen. Dicken Tragseilen gleich schlängelten sich die Locken über die gesamte Länge des Rückens und bewahrten den Kopf davor, der Schwerkraft zum Opfer zu fallen.

Die Leichtigkeit, mit der das Fräulein „So-La-La“ über dem Boden schwebte, machte den Panzer aus Muskeln, Knochen und Sehnen, der ihre Seele umhüllte, fast unsichtbar. Bei jedem Atemzug spannte sich ihr Brustkorb wie ein schmales Segel, durch das eine sanfte Brise strich.

Fortsetzung SEITE 11