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Die Reise des Fräulein „So-La-La“

Die Großmutter legte den Zeigefinger auf ihre Lippen und blinzelte verschwörerisch. 
Im Flüsterton weihte sie ihre Enkelin in das Geheimnis ein, das die Mutter hütete. Nicht einmal der Vater wusste davon.

„Er bildet sich ein, mit einer  Krankenschwester verheiratet zu sein.“, belustigte sich die Großmutter an seiner Ahnungslosigkeit.
„Es sticht sie tief ins Herz, dich tagsüber allein lassen zu müssen. Aber ohne ihre Arbeit würde sich die Welt in einen dunklen und kalten Ort verwandeln.“

Das Fräulein „So-La-La“ zeigte wenig Verständnis für die Bedürfnisse der Welt. Sie war entschlossen, der Herumtreiberei ihrer Mutter ein Ende zu machen.

„Ich hbae gneug Aufgbaen für sie.“, schnaufte sie.

In der Tat gab es für die Mutter in den gemeinsamen Stunden Arbeit in Hülle und Fülle.  
Lachen und Weinen,  Hoffen und Bangen.  Loben und Schimpfen. Fröhlich sein. Kummer haben.  
Für all diese Dinge wollte das Fräulein „So-La-La“ als neue Arbeitgeberin reichlich sorgen.    
Außerdem konnte sie ihre Beschäftigung bequem von Zuhause erledigen. Neben solchen Annehmlichkeiten lockte das Angebot des Fräulein „So-La-La“ mit  Dienstzeiten wie im Schlaraffenland.

 „Ncah dem Fürhstcük  knan sie mit mir bis Mitatg  im Btet kschueln.“,  stellte sie  ausgedehnte Pausen in Aussicht.

Vor Aufregung überschlug sich ihre Stimme.  Das Buchstabendurcheinander der Sätze schwoll zu einem schrillen Gekreische an.

Innerhalb kürzester Zeit fabrizierten sie eine Liste mit Aufgaben, die auf die Mutter warteten.
Zauberei war darunter die geringste aller Fähigkeiten, die sie  benötigte. 

Neben Essen kochen, Wäsche waschen, Geschirr abspülen, Betten machen, Zimmer aufräumen,  Fenster putzen, Böden schrubben und  Einkäufe erledigen, durfte sie nie müde, ungeduldig  oder griesgrämig  sein.
Vor allen anderen Dingen  hatte die Mutter ihrer zukünftigen Arbeitgeberin jeden Wunsch von den Augen abzulesen.  

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