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Die Reise des Fräulein „So-La-La“

Es stand von Anfang an nicht gut um sie. Zwei Tage durfte sie niemand im Krankenhaus besuchen. Als das Fräulein  „So-La-La“  in Begleitung  der Mutter vorgelassen wurde, fand sie das Krankenbett der Großmutter von weißen Kitteln  umlagert vor.  
Der Eifer, mit dem sich die Ärzte an ihr zu schaffen machten, ließ das Schlimmste befürchten.

Eine hochgezogene Augenbraue  las die Werte an den Apparaten ab, mit denen sie von Kopf bis Fuß  verdrahtet war. Ein gestreckter Zeigfinger mit einem Klemmbrett im Arm notierte geflissentlich mit.  Neben ihm diktierte eine mitleidige Stimme ihre Diagnose in ein Tonbandgerät.    
Es war eine Verhandlung ohne Pardon. Die Anklage wog schwer. Und die Kräfte der Großmutter reichten nicht aus, sich dagegen zur Wehr zu setzen.  

Nachdem die Ärzte ihre Untersuchung beendet hatten, schritten sie  zur Urteilsverkündung vor die Tür. Tränenaufgelöst eilte ihnen die Mutter hinterher.  

In der Hektik  blieb das Fräulein „So-La-La“ allein im Krankenzimmer zurück. Sie kauerte ängstlich unter einem kleinen Blumentisch, der neben dem Bett der Großmutter stand.
Ohne das Stimmengewirr der Ärzte herrschte eine gespenstische Stille im Raum.  Ein Windstoß schlug das Fenster auf und rieb sich an den Gardinen.

Vor Schreck  streckte das Fräulein „So-La-La“  den Rücken durch. Sie spürte einen Schlag, dem ein heftiger Schmerz folgte. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie mit dem Kopf gegen einen Tisch gestoßen.
Eine Vase kippte um und rollte über den Rand. Der Knall, mit dem sie auf dem Boden in Scherben zerplatzte, hätte Tote vor Schreck wieder lebendig gemacht.

So verwunderte sich das Fräulein „So-La-La“ wenig, dass die Stimme, die sie  beim Namen anrief, anhörte, als käme sie direkt aus dem Jenseits.

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