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Die Reise des Fräulein „So-La-La“

Oma Rosa nahm die Beleidigung hin, ohne mit der Wimper zu zucken.

„Natürlich ist das eine Sache der Auslegung.“, sagte sie und blies eine dicke Rauchwolke aus ihrem Mund.

Unwiderlegbar besäße die Erde die Form einer Kugel, führte sie weiter aus.
Diese Tatsache würde jedermann die Gelegenheit geben, den eigenen Standpunkt zum Nabel der Welt erklären.

Nach Ansicht der Großmutter war in einer Zeit, in der die Nachrichtensprecher auf den Bildschirmen das Sagen hatten, diese Vorgangsweise nichts Ungewöhnliches.  

„Die Nachrichten legen jeden Tag neu fest, wo sich der Mittelpunkt der Welt befindet.“, behauptete die Großmutter.

Abermals umwölkte eine dicke Rauchschwade ihren Kopf. Vorsorglich versteckte das Fräulein „So-La-La“ ihren Zeigefinger unter dem Pullover, damit er sich zu keiner weiteren Dummheit hinreißen ließ.

Gewiss schadete es nicht, ein bekanntes Gesicht zu besitzen, wenn man als Geschichte um die Welt zu reiste. Aber sollte sie gleich so weit gehen,  sich zum Mittelpunkt der Welt auszurufen?

„Papperlapapp.“, fuhr ihr die Großmutter in die Parade.

Die Mitte der Welt wäre nicht in Stein gemeißelt und befinde sich ständig in Bewegung. 
Die Zeit, in der noch ein Blick auf die Landkarte genügt hatte, um sie finden, war durch das Diktat der Bildschirme und Mobiltelefone abgelöst worden . Nunmehr müsste man stündlich die Nachrichten hören, um seine aktuelle Position  zu bestimmen.

„Wer jedoch nach dem wahren Mittelpunkt der Welt sucht, hat es nicht nötig, sein Gesicht im Fernsehen oder in den Zeitungen zu sehen.“  

Während das Fräulein „So-La-La“  dem  Redeschwall der Großmutter lauschte, tauchte vor ihren Augen das schemenhafte Bild einer Zielscheibe auf.   

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