
„Für einen solchen Kampf täte ihr mehr Fleisch auf den Rippen gut.“, höhnten die hochgezogenen Augenbrauen.
„So dick könnte sie gar nicht werden, um dem Zufall den Weg zu versperren.“, lachten die gestreckten Zeigefinger.
„Einen fetten Wurm fräße ein Vogel noch lieber als einen mageren.“, lästerten die mitleidigen Stimmen.
Während sich die Welt das Maul zerriss, zweifelte das Fräulein „So-La-La“ nicht im Geringsten am Vorhaben ihrer Mutter.
Wer jeden Morgen mit purer Muskelkraft die Sonne über den Horizont am Himmel hochzog, konnte auch dem Zufall die Stirn bieten.
Die Mutter machte sich unverzüglich ans Werk, das Bollwerk gegen ihn zu errichten. Ihre Zuversicht brauchte kein Wunder. An dem Verbündeten, der ihr zur Seite stand, würden alle Sturmläufe des Zufalls wirkungslos abprallen, verkündete sie siegessicher.
Voller Stolz präsentierte sie ihrer Tochter die jüngste Anschaffung. Es war ein Terminkalender. Seiner Macht hätte der Zufall nichts entgegen zu setzen, war die Mutter überzeugt, ein wirksames Mittel gegen den Zufall gefunden zu haben.
Die ersten Tage verliefen wie sie es vorhergesagt hatte. Zu welcher Tages- und Nachtzeit der Zufall versuchte, ihm Haus Fuß zu fassen. Stets schnappte ihm ein Termin die bereits sicher geglaubte Beute vor der Nase weg.
Nach mehreren Niederlagen räumte er kleinlaut das Feld. Der Terminkalender hatte seine Feuerprobe mit Bravour bestanden. Fortan bestimmte er jede Minute im Tagesablauf des Fräulein „So-La-La“. Unter seiner Herrschaft war ihr Dasein nicht länger ein unbekümmertes Durcheinander. Es vollzog sich im Takt eines unbarmherzigen Trommelschlages.
Die Mutter betrieb ihre Planungen mit der Präzision einer Schweizer Uhr. Jede Minute war Maßarbeit.