
In ihrem Eifer, mit eigenen Augen zu sehen, was die Geschichten sahen, verlor das Fräulein „So-La-La“ jedes Maß. Stück für Stück ging der eigentliche Sinn der Bücher verloren. Sie waren keine Zeitabkürzungsmaschine mehr, die verregnete Nachmittage oder trübe Herbsttage vertrieb. Stattdessen verkamen sie zu einer monotonen Aufzählungsmaschine von Namen, Orten und Jahreszahlen. Der rote Faden, der sich durch die Geschichten zog, verknotete sich zu einem unentwirrbaren Knäuel.
Am Ende passierte das Unvermeidliche. Als erstes purzelten die Namen durcheinander. Dann passten die Kostüme nicht mehr zu den Kulissen. Schließlich irrten die Geschichten durch Jahrhunderte, wo sie gar nicht hingehörten.
Der Versuch mit eigenen Augen zu sehen, was die Geschichten, sahen, geriet für das Fräulein „So-La-La“ zu einer Katastrophe. Der Wurm, der sich durch die Bücher zog, nistete sich in ihrem Kopf ein und richtete ein furchtbares Durcheinander an.
Egal an welchem Faden das Fräulein „So-La-La“ zog. Kein Anfang einer Geschichte führte mehr zu seinem richtigen Ende.
Der Appetit der Made war nicht zu stillen. Unaufhaltsam fraß sie sich durch ihre Erinnerungen, bis ihr Kopf leer war. Selbst der eigene Name wollte ihr nicht mehr einfallen.
Mit einem lauten Schrei fuhr das Fräulein „So-La-La“ aus dem Schlaf. Schweißgebadet rieb sie sich die Augen. Zum Glück war es nur ein Traum gewesen.
Am nächsten Tag erzählte sie der Großmutter von ihrem Alptraum.
Oma Rosa hörte schweigend zu. Ohne ein Wort zu sagen, nahm sie ein Buch über die Entdeckung Amerikas zur Hand und blätterte es an einer beliebigen Seite auf.
„Was siehst du darin?“, fragte sie.
Das Fräulein „So-La-La“ drehte angewidert den Kopf weg. Der bloße Anblick der hässlichen Made, die sich in engen Schlingen über die Seite bewegte, war ihr unerträglich. Oma Rosa rückte sich die Brille auf der Nase zurecht. Ihr Zeigefinger glitt die dünne Linie des Wurmes entlang.