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Die Reise des Fräulein „So-La-La“

„Diese Antwort ist nicht für Kinderohren geeignet.“, räumte  ein geknickter Zeigefinger das Feld.
„Ich habe die Frage nicht verstanden.“,  berief sich eine wehleidige Stimme auf ihre Schwerhörigkeit, um ihre Niederlage zu verbergen.

Das Fräulein „So-La-La“ spürte Genugtuung.  Aber ihr Hunger nach Vergeltung war noch lange nicht gestillt.
Nach den ersten Siegen verfeinerte sie ihren Plan um einen ausgeklügelten Hinterhalt.

Mit einer einfachen Erstfrage schaffte sie Vertrauen.  Wenn sich das ahnungslose Gegenüber gönnerhaft in seiner Antwort sonnte,  brachte sie ihn mit einer Hauptfrage ins Wanken.   Verfiel ihr Opfer in ein hilfloses Stottern  schickte das Fräulein „So-La-La“  die furchtbarste ihrer Waffen in den Kampf.   

Mit dicht gestaffelten Nachfragen stieß in die offene Flanke des taumelnde Gegners und brachte ihn zur Strecke. Es folgte eine Zeit großartiger Triumphe.   
Das Fräulein „So-La-La“ genoss den Anblick  der  blassen Gesichter der gestreckten Zeigefingern, hochgezogenen Augenbrauen und mitleidigen Stimmen, wenn sie zu stammeln begannen.   

Mit der Ruhe eines kalten Herzens setzte sie zum entscheidenden Schwinger an, der ihre Gegner zu Boden warf.  Mitleid  war ihr fremd. In ihrer gequälten Seele gab es keinen Platz für Gefühlsduselei. Aber der Preis für ihre Siege war hoch bezahlt.   

Als  eine  Supermarktkassierin unter  einer Welle von Nachfragen ohnmächtig vom Stuhl kippte, verhängte die Mutter einen mehrtägigen Hausarrest.

Der Schwächeanfall einer Putzfrau im Stiegenhaus  kostete sie den Preis eines dreiwöchigen Fernsehverbotes.

Und als sie der Kinderarzt  unter lautstarken Beschimpfungen aus seiner Praxis  warf,  strafte sie die Mutter mit einer Woche Schweigen.

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