
An dieser Stelle fuhr das Fräulein „So-La-La“ aus dem Schlaf.
Im Raum herrschte eine gespenstische Ruhe, als würde kein Herz mehr auf der Erde schlagen. Dabei war nur ein einziges verstummt.
Mit der Zunge schleckte das Fräulein „So-La-La“ das Rinnsal fort, das sie auf der Lippe kitzelte. Es schmeckte salzig wie der letzte Tropfen eines verschwundenen Ozeans.
Auf der Flucht vor der Leere, die sie durch die Tage verfolgte, flüchtete sich das Fräulein „So-La-La“ in ihr Versteck unter dem Küchentisch.
Einmal passte sie nicht auf und stieß mit dem Kopf gegen die Tischplatte.
Der pochende Schmerz rief ihr ins Bewusstsein, wie sehr sich ihr Leben seit dem Tod ihrer Großmutter verändert hatte.
Sie war kein Mädchen mehr, das aufrecht unter dem Küchentisch stehen konnte, ohne sich den Kopf anzustoßen.
Noch mehr als die Beule schmerzte sie der Gedanke, erwachsen zu sein, bevor sie den Ort gefunden hatte, an dem das Herz der Großmutter weiter schlug.
Mit den übrigen Habseligkeiten war auch ihre schwarze Hornbrille in der Wohnung zurückgeblieben. Ohne die dicken Gläser auf ihrer Nase sah Oma Rosa die Hand vor Augen nicht.
„Wie soll sie mich wiedererkennen, wenn aus mir eine dicke Eiche geworden ist?“, ängstigte sie sich.
In ihrem Versteck hoffte sie, von der Zeit vergessen zu werden. Sie wollte ihrer Mutter nicht mehr über den Kopf wachsen. Sie wollte für immer ein kleines Mädchen bleiben, dass von der Großmutter in ihre Arme geschlossen wurde, wenn sie sich eines Tages wieder begegneten.
Irgendwann übermannte sie der Schlaf und erlöste sie von ihrem Kummer.