
Zu Beginn beäugte die Mutter das kunterbunte Geschwür an den Wänden mit Wohlwollen. Aber ihre Freude schlug schnell ins Gegenteil um.
Das Verhängnis begann mit einem harmlos gemeinten Scherz.
„Du solltest deinen Strichmännchen mehr zu tun geben, als sie durch die Luft schweben zu lassen.“, bespöttelte der Vater die Eintönigkeit der Bilder.
Das Fräulein So-La-La“ stemmte die Arme in die Hüfte und setzte einen Schmollmund auf.
„Das snid kiene Stirchmäncnhen!“, reagierte sie beleidigt.
„Sie haben alle Hände damit zu tun, den Menschen Vergnügen zu bereiten.“, mischte sich die Mutter in die Unterhaltung ein.
Ohne Absicht schuf die unbedachte Äußerung den Boden für den kommenden Schrecken.
Durch den mütterlichen Beistand ermuntert, maß das Fräulein „So-La-La“ den Vater mit einem verächtlichen Blick.
„Das bin ich als Stirchmäcdhen.“, verkündete sie mit stolz geschwellter Brust.
Der Satz detonierte mit der Wucht einer Bombe im Raum. Als sich der Rauch verzogen hatte, war auf den ersten Blick klar, dass jeder Versuch, ihn aus dem Gedächtnis zu tilgen, vergeblich sein würde.
Das Übel hatte seine Saat in die Welt gestreut.
Durch die dichte Haarpracht des Vaters zog sich ein nebeliger Grauton. Der Mutter setzten die Schockwellen, die der Satz verursachte hatte, um ein Vielfaches schlimmer zu. Binnen weniger Sekunden vertieften sich die verspielten Lachfalten um ihre Lippen zu breiten Kummergruben, die keine Schminke mehr auszufüllen imstande war. Sie packte den Vater an der Hand und verließ fluchtartig das Kinderzimmer.
Das Fräulein „So-La-La“ blickte ihnen verdutzt hinterher. Ratlos blickte sie auf die Porträts, die von den Wänden lachten. Was war daran verkehrt, ein Strichmädchen sein zu wollen?