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Die Reise des Fräulein „So-La-La“

Andere hatten weniger Glück.  Ohne Erbarmen wüteten die mütterlichen Posaunen unter allen Mahnern, bis die letzte Stimme der Vernunft verstummt war.Das Fräulein  „So-La-La“ tanzte und flötete.  Sie turnte und malte. 

Ihre Termine  zogen sich von morgens bis abends über sieben Tage die Woche. Der Terminkalender der Mutter kannte  keine Feiertage und kein Mitleid.

Wochenlang herrschte gespannte Ruhe. Der Zufall stand auf verlorenem Posten. Mit leichter Hand eilte die Mutter von Erfolg zu Erfolg.  Im Siegesrausch überfiel sie der Übermut.   

„Die Macht des Zufalls wäre überschätzt.“,  prahlte sie mit Blick auf den minutiös geplanten Tagesablauf des Fräulein „So-La-La“.

Und weil sie alle warnenden Stimmen zum  Verstummen gebracht hatte, fand sich niemand, der ihr ins Wort fiel, als sie lautstark ihren Sieg über den Zufall verkündete.

„Meine Tochter hat keinen Termin  für ihn frei.“, höhnte sie.

Der Zufall mochte blind sein. Aber er besaß feine Ohren, mit denen er den Flügelschlag eines Schmetterlings kilometerweit hörte. In der Lautstärke einer Posaune über ihn zu lästern, war keine gute Idee. Er erweckte seine Kampfeslust.

Die Mutter ahnte nichts von der Katastrophe, die sich hinter ihrem Rücken anbahnte.  Mit nachlassender Wachsamkeit feierte sie  ihre Siege, die keine waren.  
Der Blick in den randvoll gefüllten Terminkalender warf, erfüllte sie mit tiefer Genugtuung. Nirgendwo klaffte eine freie Minute, in die der Zufall einfallen konnte.

An dem Tag, an dem ihr mühsam errichtetes Bollwerk , zusammenbrach, brauchte es keine Sturmleitern. Der Zufall stolzierte ohne die geringste Anstrengung ins Haus. Eine winzige Briefmarke hatte sie ihm geöffnet. Die Post vereinbarte keine Termine. Sie stellte alle Pakete zu, die ausreichend frankiert und richtig adressiert waren.

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