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Die Reise des Fräulein „So-La-La“

Wie alles begann


An die erste Begegnung mit dem Fräulein „So-La-La“ verbinde ich nur noch eine vage Erinnerung. Ich glaube nicht, nach ihr gesucht zu haben. Sie tauchte aus dem Nichts in meinem Kopf auf.
Am Beginn unserer Bekanntschaft genügte es ihr, in meinen Gedanken Unfug zu treiben.

Als ich anfing, sie in den Schubladen wechselnder Schreibtische unterzubringen, zeigte sie keinerlei Missfallen daran.
Mit den Jahren änderte sie ihre Meinung. Sie fand die Aussicht, immer am gleich Ort bleiben zu müssen, langweilig.
Mir klingt heute noch ihre Stimme im Ohr, als sie mir ihren Wunsch anvertraute. 

„Ich bin nicht für die Schublade geschaffen.“, schüttete
sie ihr Herz vor mir aus.                         

„Ich möchte eine Geschichte sein, die um die Welt reist.“

Auf meine Zweifel, ob ich der Richtige für diese Aufgabe sei, zuckte sie nur mit den Schultern.

„Ich finde mir keinen Besseren dafür.“, antwortete sie.

Nach langem Zögern gab ich ihrem Drängen nach.  Unter ihren strengen Augen schrieb ich all die Dinge und Ereignisse auf, die ich mit ihr erlebt hatte.  

Nachdem meine Arbeit beendet war, öffnete ich das Fenster vor meinem Schreibtisch und warf die vollgeschriebenen Blätter in den nächstbesten Wind.
Ich habe keine Briefmarke geklebt und keine Adresse aufgeschrieben. 

Der Wind, der das Fräulein „So-La-La“ weg getragen hat, nannte kein Ziel. Er wehte von Ost nach West und flog nach Irgendwo.   Ich weiß nicht, wo die Reise des Fräulein „So-La-La“ endete.

Der Wind ist ein launischer Charakter. Oft wird er seiner aufgelesenen Begleiter bereits nach wenigen Straßenzügen überdrüssig. Dann findet man sie in den Wipfeln eines nahen Baumes wieder. Oder sie tauchen im Garten des Nachbarn auf.

Aber manchmal weht der Wind die Dinge, die man ihm anvertraut bis jenseits des Horizonts und weiter fort.

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