
Vor Aufregung bemerkte das Fräulein „So-La-La“ die Veränderung nicht.
Nie hatte ihr Verstand besser funktioniert. Nie war ihr Blick klarer gewesen.
Das Blut, das in ihren Adern floss, war älter als jedes Gemäuer.
Es war älter als die Wehrburgen des Mittelalters. Noch älter als die Pyramiden in Ägypten.
Zum ersten Mal wusste sie um die Kraft des Herzens in ihrer Brust. Es hatte lange vor den Glocken der Kirchtürme zu schlagen begonnen. Und solange Menschen auf der Welt wandelten, würde sein Klang nicht mehr verstummen. Sie verstand, warum die Großmutter keine Angst hatte, als ihre Seele die Flügel ausbreitete.
Die Kette, die sie unauflöslich mit ihr verband, nahm dem Unausweichlichen seinen Schrecken. Der Tod konnte ihr nichts anhaben. Zu groß war die Übermacht, die ihm entgegenstand. Zu weit reichten ihre Wurzeln zurück. Zu tief hatten sie sich eingegraben.
Freudestrahlend blickte das Fräulein „So-La-La“ zu ihrer Mutter hoch. Auge in Auge erkannten sie einander. Sie waren zwei Glieder der gleichen Kette, die miteinander verbunden blieben bis ans Ende aller Tage.
Plötzlich wurde alles Schwere leicht. Das Fräulein „So-La-La“ fühlte sich wie eine Feder, die im Wind einer hellen Sonne entgegen tanzte. Niemals zuvor hatte sich das Leben schöner angefühlt, als in diesem Augenblick.
Die Großmutter war nicht in einem dunklen Loch auf dem Friedhof verschwunden. Ihr Herz schlug an einem anderen Ort weiter.
Wenn das Fräulein „So-La-La“ nachts die flache Hand auf ihre eigene Brust legte, hörte sie den vertrauten Klang, den sie vermisst hatte.
Das Herz der Großmutter schlug laut und deutlich mitten in ihr.