
Eines Abends läutet es Sturm. Nichtsahnend öffne ich die Tür. Ein abgemagertes Elend starrt mich im Eingang an. Er sei verlassen worden, schluchzt mir mein Freund ins Hemd. Mit den Frauen hat er es nicht leicht. Die Letzte scheint mit dem Kühlschrank durchgegangen zu sein, bedaure ich sein Schicksal. Mein Freund beruhigt mich. Sie habe zum Glück nur ihren Hund mitgenommen.
Ich quartiere meinen Freund im Badezimmer ein und hasse mich für mein weiches Herz. Es ist eine Sache, einem Freund im Schaufenster oder beim Friseur zu begegnen. Und eine andere mit ihm unter einem Dach zu hausen.
In den ersten Wochen flennt er mir das Sofa nass. Er säuft die Bar leer und raucht mein Wohnzimmer nebelig. Er fühle sich wie ein abgewohntes Möbel, beklagt er sich. Zumindest der Wurm darin sei noch quicklebendig, schnauze ich ihn an und sauge die Chips Brösel aus dem Teppich.
Irgendwann lässt sein Schmerz nach. Mein Freund beginnt, sich im Haus nützlich zu machen. Ich staune über seine Kochkünste. Er stelle sich vor, ihren Hund zu braten, lacht er sich am Herd die Augen zu Tränen. Ich glaube, ein Jaulen im Ofen zu hören und drehe die Musik auf. Das Hühnchen auf dem Teller will mir trotzdem nicht mehr schmecken.
Als ich im Keller einen Spiegel an der Wand entdecke, stelle ich meinen Freund im Badezimmer zur Rede. Es sei ein Schneewittchenspiegel, klärt er mich auf. Wer ist der Schönste im Land? Ich blicke in sein faltiges Gesicht. <Wir sollten ihn schwarz anmalen, bevor er Antwort gibt.>, sage ich. <Schlimmer geht immer..>, antwortet mein Freund achselzuckend.
Ich bemerke die teure Uhr an seinem Handgelenk. Er lebe nach einer neuen Zeitrechnung, rechtfertigt er die Kosten. Ich werfe ihm Verschwendung vor, weil in der Einfahrt plötzlich ein Wagen parkt, dem das Dach fehlt. Er fahre ihn nur, wenn es nicht regnet, lassen meinen Freund die Vorwürfe kalt.
Er überredet mich zu einem frischen Anstrich für das Haus. Wir hätten das Cabrio nach der alten Fassade kaufen sollen, stöhne ich über die Rechnung. <Rosa ist keine Autofarbe für einen Kerl.>, antwortet mein Freund.
Das Leben mit ihm ist nicht billig. Ich gebe das Rauchen auf und trinke nur noch aus der Wasserleitung. Meine Hungergefühle unterdrücke ich mit Joggen. Im Schrank stapelt sich die Wäsche eine Kleidergröße kleiner. Die zunehmende Ähnlichkeit zwischen uns bereitet mir Sorge. Wir scheinen die gleichen Erinnerungen zu teilen. Bald fällt es mir schwer, noch einen Unterschied zu sehen. Morgens rasieren und waschen wir uns einträchtig. Abends putzen wir uns gemeinsam die Zähne. Alles läuft gut. Ich beginne, mich an seine Gesellschaft zu gewöhnen. Bis er sein wahres Gesicht zeigt.
<Wir könnten in die Türkei fliegen.>, ermuntert er mich eines Morgens zu einer Urlaubsreise. <Warum sollten wir das tun?>, frage ich ahnungslos. >Die Haare fehlen mir.>, sagt er und blickt aus dem Spiegel auf mein kahles Haupt. <Hilfe.>, schreit meine gequälte Seele. Ich muss ihm recht geben. Schlimmer geht immer. Ich lebe mit einem Verrückten zusammen.