
Mein Freund hat sich mit Susanne verabredet. Die Begegnung erweist sich als Reinfall. Nach zwei Stunden steht er wieder in der Tür. Seine Miene verheißt nichts Gutes. Die Telefonate mit ihr dauerten länger. <Was ist passiert?>, platze ich vor Neugier. Mein Freund zuckt mit den Schultern. Wortlos kehrt er mir den Rücken zu und stapft die Kellerstiege hinunter. Nach jeder Abfuhr sucht er Trost bei seinem Schneewittchenspiegel. Wer ist der Schönste im Land? Als er zurückkommt, hat sich seine Stimmung aufgeheitert. Der Spiegel bewirkt Wunder bei ihm.
Er werde Susanne nicht wiedersehen, sagt mein Freund. Ein Jogger sei ihm in die Quere gekommen. Zuerst läuft es gut zwischen ihnen. Susanne gefällt ihm. Sein Charme sprüht Funken. Sie spazieren an einem Fluss entlang. Mein Freund kommt ins Schwärmen. Susanne lächelt ihn an. Radfahrer und Spaziergänger kreuzen ihren Weg. Sie fassen sich an den Händen. Da bleibt ein Jogger neben ihnen stehen. Susanne erkennt ihn. Ihre Augen strahlen.
<Der Kerl sah in seinem Jogginganzug unverschämt gut aus.>, sagt mein Freund. Susanne vergisst, dass sie einen Begleiter hat. Sie vereinbart ein Treffen mit dem Jogger. Beim Abschied umarmen sie sich. Als der Jogger weiterläuft, gewinnt mein Freund kein Land mehr bei ihr. Sie schweigen sich an. Susanne hat nur noch ihren Jogger im Kopf. Sein Schweiß glänzt auf ihrer Wange. Sie wischt ihn nicht weg. Mein Freund blickt in den Fluss. Er fühlt sich wie ein Schiffbrüchiger in einem Ozean.
<Frauen sind Drachen.>, sagt er. <Und Männer sind Bären. Man gerät immer an die Falschen.> Die Niederlage stimmt ihn philosophisch. Ich stimme ihm zu. Drachen spucken Feuer. Bären gehen leicht in Flammen auf. Mein Freund leidet unter dem Schiffbruch mit Susanne. Sie hat ihm das Fell verbrannt. Der Schneewittchenspiegel im Keller lügt ihn an. Es steht nicht gut um ihn. Seine Brandlöcher mehren sich.
Abends treffen wir uns im Badezimmer. Mein Freund steht wie Tarzan vor dem Spiegel. Mit zusammengekniffenen Augen rasiert er seine weißen Brusthaare ab. Der Jogger sei zehn Jahre mindestens zehn Jahre jünger gewesen, klärt er mich auf. Der Dschungel mag keine weißen Haare. Sein Rasierer verschont auch andere Körperteile nicht. Die Kleinigkeit zwischen seinen Beinen trägt kein Fell mehr. Ein Lendenschurz täte ihm gut, lache ich. <Die Affen im Dschungel sind alle nackt.>, winkt mein Freund ab. <Stimmt nicht.>, widerspreche ich ihm. <Sie tragen inzwischen Jogginganzüge.>
Mein Freund ist nicht Tarzan. Es gibt keine Jane in seinem Leben. Es gibt nur mich. Ihm scheint es egal zu sein. Er schmiert seine glattrasierte Brust mit Öl ein. Zufrieden blickt er sich im Spiegel an. Dann greift er zu seinem Telefon. Mein Freund lernt nichts aus seinen Frauengeschichten. Er ist ein Bär, der die Brandlöcher wegrasiert, die sie in ihm in das Fell brennen. Ich lasse meinen Freund alleine im Badezimmer zurück. Er bemerkt es nicht. Er telefoniert mit Tamara. Der Name klingt wie der nächste Buchstabe im Alphabet.