
„Ihr solltet mehr Milch einkaufen.“, empfahl sie den verdutzten Eltern.
Bei einem anderen Wortgefecht, das sich vordergründig um die Höhe einer Friseurrechnung der Mutter drehte, stellte sie trocken fest.„Es ist zu wenig Zucker in der Dose.“
In beiden Fällen endete der Streit der Eltern in einem schallenden Gelächter. Die heitere Stimmung verleitete die Mutter zu einer folgen-schweren Entscheidung.
Eines Tages fand das Fräulein „So-La-La“ eine verstaubte Truhe in ihrem Zimmer vor.
„Nun gehören sie dir.“, sagte die Mutter und hob den Deckel hoch.
Das Fräulein konnte ihr Glück kaum fassen, als sie ihr Geschenk in Empfang nahm. Dutzende Puppengesichter, die seit Jahren kein Tageslicht gesehen hatten, strahlten sie erwartungsvoll an.
Es waren die Spielgefährten ihrer Mutter aus Kindheitstagen, die nun in ihre Obhut kamen
Zu Beginn lief es prächtig zwischen dem Fräulein „So-La-La“ und den alten Puppen.
Von morgens bis abends kümmerte sie sich aufopferungsvoll um ihre neuen Schützlinge. Die alten Kleider mussten gewaschen, die Schuhe geputzt und die Haare gekämmt werden.
„Sie liest ihnen jeden Wunsch von den Augen ab.“, begeisterte sich die Mutter.
„Die Puppen bringen sie auf neue Gedanken.“, atmete der Vater mit Blick auf die aufgeblähten Wasserköpfe, die ihn von allen Wänden des Hauses anstarrten, erleichtert auf.
Es blieb der Großmutter vorbehalten, die bittere Wahrheit auszusprechen.
„Sie sucht an der falschen Stelle.“, seufzte sie.
Ihrem scharfen Auge war nicht entgangen, in welcher Gefahr die neuen Spielkameraden des Fräulein „So-La-La“ schwebten.
Regelmäßig gab es geplatzte Bäuche und aufgerissene Nähte zu beklagen. Bei manchen scheute fürsorgliche Puppenmutter nicht davor zurück, ihnen die Köpfe vom Hals zu drehen.
Bei einem Besuch wurde die Mutter Zeuge wie mit den Händen im aufgerissenen Bauch einer Puppe wühlte.
„Hast du gar kein Mitleid mit ihr?“, entsetzte sich die Mutter beim Anblick des bedauernswerten Opfers.
Unbeirrt setzte das Fräulein „So-La-La“ die Ausweidung der Puppe fort.
„Ich scuhe ihr Hrez.“, lautete knappe Antwort.
„Eher scheint es zweifelhaft, ob in deiner Brust noch ein Herz schlägt.“, kreischte die Mutter am Rande eines Nervenzusammenbruches.
Das Fräulein „So-La-La“ blickte sie verständnislos an. Die Puppen spürten nicht das Geringste. Man konnte sie bedenkenlos im heißen Wasser kochen oder im Eisschrank lagern. Ob man ihnen die Haare frisierte oder die Watte aus dem Bauch schnitt, spielte keine Rolle.