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Die Reise des Fräulein „So-La-La“

Für das Fräulein „So-La-La“ begann ein Leben ohne Pausen. Von früh bis spät reihte sich Termin an Termin. Die spärlichen Lücken zwischen Ballettstunden und Klavierunterricht füllten  sich mit Mal- und Sportkursen. 

Der Anfang übertraf alle Erwartungen. Die Anstrengungen der Mutter machten sich rasch bezahlt. Bereits nach wenigen Monaten hingen die Wände im Haus voll mit Diplomen und Urkunden.

Die Ballettschule feierte das Fräulein  „So-La-La“ als aufstrebende Ballerina. In Musikerkreisen wurde ein angehendes Klaviergenie beklatscht. Riesige Blechpokale in gläsernen Vitrinen bezeugten ihre sportlichen Höchstleistungen.  

Die Triumphe stachelte den Ehrgeiz der Mutter weiter an. Als sie den Unterricht bis tief in die Abendstunden ausdehnte, platzte dem Vater der Kragen.
Ihr übertriebener Kampf gegen den Zufall, würde sie dem Gespött der gesamten Nachbarschaft ausliefern, stellte er die Mutter zur Rede.
Das Mitleid mit seiner von Terminen gequälten Tochter ließ ihn jede Vorsicht vergessen.  In Todesverachtung wählte er das schärfste Mittel des Protests. Er streckte seinen rechten Zeigefinger aus und tippte ihn heftig gegen die Stirn.

Im selben Augenblick  fand er sich im Auge eines wütenden Orkans wieder. Die Sturmfront, die sich  über seinem Kopf entlud, war kein übliches Donnergrollen. Eine nie dagewesene Sintflut spülte ihn aus der Küche.

Mit überschlagender Stimme schrie sich die Mutter das Entsetzen über seine Verantwortungslosigkeit von der Seele.

Die Posaunen des Weltunterganges, den sie in Begleitung des Zufalls heraufbeschwor, bliesen  mit einer Heftigkeit, dass der Boden bebte und das Geschirr in den Regalen schepperte.

Reumütig gelobte der Vater Besserung. Zur Wiedergutmachung flüchtete er sich in ein wochenlanges Schweigegelübde.

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