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Die Reise des Fräulein „So-La-La“

Schnell verwandelten sich die Wände ihres Kinderzimmers in die Ahnengalerie einer Familie, deren gemeinsames Merkmal ein melonengroßer Wasserkopf war.

„Irhe Gednaken bruachen veil Paltz.“,  begründete das Fräulein „So-La-La“ die  riesigen Köpfe der Luftballonkinder.

Bei Sonnenschein  leuchteten ihre Haare in einem kräftigen Gelb.  Blinzelte der Mond aus der Ecke des Zeichenblattes, fiel die Wahl auf einen braunen Stift.
Zwei murmelgroße Punkte markierten die Augen.  Ein senkrechter Strich, der mit in einem nach rechts verlaufenden Haken endete, bildete die Nase.
Einen Fingerbreit darunter lachte der Mund als  geschwungene Linie aus dem Bild.  An fröhlichen Tagen hing die Welle wie eine Hängeschaukel nach unten durch.
 
„Wnen eniem zum Lcahen ist,  schuaeklt scih das Gülck.“, erklärte die Künstlerin.  

Wenn sie Kummer hatte, drehte sie  die Welle um. Sogleich türmte sich der Mund  zu einem kleinen Hügel auf, der dem  Gesicht  eine finstere Miene  aufsetzte. 

„Wnen man tarurig ist, luafen die Gednaken im Kpof bregauf.“, seufzte das Fräulein „So-La-La“.

In den allermeisten Gesichtern ihrer Luftballonkinder schaukelte sich das Glück. Dabei hatten sie genügend Gründe, mit ihren Gedanken bergauf zu laufen.

Der dürre Hals, der sich abmühte, das schwere Gewicht des Kopfes im Gleichgewicht zu halten, ragte aus einem Kleid heraus, dessen Ähnlichkeit mit einem  Kartoffelsack offensichtlich war. Unterhalb der schmalen Schultern ruderten zwei zur Seite gestreckte Arme  ins Leere.

Nicht viel besser erging es den Füßen. Wenn sie aus dem Kleid hervorschlüpften, baumelten  sie über einem bodenlosen Abgrund.
Allein die Sonne, die aus einer Ecke strahlte,  leistete ihnen Gesellschaft in einer ansonsten leeren Welt. Manchmal tauchte ein Mond in der Ecke gegenüber auf.  Ansonsten bot sich ihnen keinerlei Abwechslung.

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