
Worte können alles sein. Aber sie bedeuten nichts, wenn es Worte bleiben.
Eines Tages wurde ein Bote in das Schloss eines Prinzen gerufen. Man übergab ihm einen Brief mit der Anweisung, ihn einem König zu überbringen, dessen Reich am anderen Ende der Welt lag. Wenn er den Auftrag erfüllte und der König seine Tochter dem Prinzen zur Braut gab, erwartete ihn eine fürstliche Belohnung. Sollte er scheitern, würde man ihn ohne den versprochenen Lohn fortjagen.
Der Bote überlegte nicht lange. Der Auftrag versprach ihm gutes Geld. Noch am selben Tag machte er sich auf den Weg. Es wurde eine lange Reise. Ob er auf dem Land, zu Luft oder über das Wasser unterwegs war. Nie verlor er sein Ziel aus den Augen. Unerschütterlich trotzte er allen Gefahren, die auf ihn einstürmten. Keine Versuchung konnte ihn verlocken. Keine Strapazen brachten ihn in Zweifel.
Nach vielen Wochen erreichte er das Schloss des Königs. Als er an das Tor klopfte, wurde er schon erwartet. Man geleitete ihn durch endlose Gänge. Schließlich stand er dem König gegenüber. Er saß von Alter und Krankheit gezeichnet auf seinem Thron.
Mit gesenktem Blick händigte ihm der Bote den Brief aus, wie es ihm der Prinz aufgetragen hatte. Schweigend brach der König das Siegel. Mit starrer Miene las er die Zeilen des Prinzen. Dann winkte er den Boten zu sich und bat ihn, von seiner Reise zu erzählen.
Der Bote berichtete von den Mühen, die er überstanden hatte. Er hatte mit den Armen das Nachtlager geteilt, ohne sich an ihnen zu bereichern und die Reichen um Almosen gebeten, ohne sie anzubetteln. Er hatte Räubern und Dieben getrotzt und gelernt, Gut und Böse zu unterscheiden.
Als der Bote mit seinem Bericht zu Ende war, wies ihn der König an, näher zu treten. <Der Prinz bittet mich um die Hand meiner Tochter.>, sagte er. Aber ich finde kein Herz in seinem Brief. Es sind nur Worte.>
Der König maß den Boten von Kopf bis Fuß. Seine Reise hatte ihm das Wissen und die Weisheit der Welt gelehrt. In seinen Muskeln steckte Kraft und Mut. Der König legte den Brief des Prinzen zur Seite. <In dir erkenne ich einen Menschen, dem kein Weg zu weit und keine Mühe zu groß ist, um sein Ziel zu erreichen>, sprach er den Boten an.
Beschämt fiel der Bote auf die Knie. Mit einer Handbewegung wies ihn der König an, sich zu erheben. Wieder erhob er seine Stimme. <Ich wünsche mir ein tapferes und gutes Herz für die Hand meiner Tochter. Du hast es mir gebracht. Es ist das Herz in deiner Brust. Dafür sollst du deine Belohnung erhalten.>
Hinter ihm öffnete sich eine Tür. Eine stolze Prinzessin trat an seine Seite. Sie war wunderschön. Als sie den Boten sah, errötete sie und senkte den Blick. Da wusste der König, dass er die richtige Wahl getroffen hatte. Noch am selben Tag wurde im Reich verkündet, dass die Tochter des Königs ihr Glück gefunden hatte.
Als der alte König starb, nahm der Bote seinen Platz auf dem Thron ein. Viele Jahre herrschte er weise und gerecht mit dem Wissen, dass es alle Mühe lohnt, sein Herz bis ans Ende der Welt zu tragen.