
Wenn sie mit der Mutter vor der Supermarktkasse anstand. Wenn sie an der Haltestelle auf den Bus wartete. Wenn sie ihrer täglichen Lieblingssendung im Fernsehen entgegen fieberte. Wenn sie hungrig am Tisch saß und auf das Mittagessen wartete.
Wenn sie in einem Wartezimmer vor Langeweile in der Nase bohrte.
Sie hatte ständig zu tun.
Ich hbae keine Ziet.“, entschuldigte sie sich bei ihrer Puppe.
Vor lauter Dingen, die sie zu erledigen hatte, blieb keine freie Minute mehr für ein vertrautes Schwätzchen mit ihrer Freundin.
Aber die schwerste von allen Arbeiten war der Blick in den Kalender. Ihr Geburtstag fiel auf einen einzigen Tag im Jahr. Dazwischen lagen lange Wochen und Monate des Wartens. Die gleiche Mühe bereitete auch der Rest der Feiertage. Zwischen Ostern und Weihnachten platzte der Terminkalender aus allen Nähten. Manchmal wollte das Warten kein Ende nehmen.
„Ich wnüschte, es gbäe wneiger zu tun für mcih.“, schnaufte sie ihrer vernachlässigten Puppe ins Ohr, bevor sie vor Erschöpfung auf der Stelle einschlief.
Zwischenspiel
Die Geschichte an meiner Bettkante zog ein neues Blatt aus der Mappe heraus und betrachtete es nachdenklich.
„Oma Rosa hatte recht.“, sagte sie.
„Mit der Zeit kann man nicht verhandeln. An einer Stelle scheint sie in Windeseile zu verdampfen. An einer anderen friert sie über Jahre fest.“
Ich blickte auf den stummen Wecker. Die Zeiger hatten sich seit der Rückkehr der Geschichte keinen Millimeter vorwärts bewegt.
„Die Menschen mögen die Zeit nicht.“, sagte die Geschichte.
„Sie glauben, dass sie ihnen das Leben und das Glück raubt. In Wahrheit verhält es sich genau umgekehrt.“
Ich sah sie schweigend an. Als ihre Stimme meinem Kopf ertönte, vernahm ich das Schlagen von Äxten und das Rauschen.