Kriegsspiele

Die Welt befindet sich seit Monaten in Aufruhr. Einen alten Mann plagt der Hunger. Er will ein ganzes Land mit Panzern und Raketen niederwalzen. Sein Appetit verschlingt abertausende Menschenleben. Städte fallen in Schutt und Asche. Mein Freund nimmt keine Notiz davon. Er ist ein Schmetterling, der einer Septemberblume nachtrauert. Sie hat ihn verlassen, um bei einer alten Hummel zu verwelken.

Eines Tages schaltet er auf den Nachrichtenkanal um. Die Bilder der blutigen Mahlzeit schlagen sich ihm auf das Gemüt. <Was ist los?>, fragt er mich. Ich erzähle ihm von einem Land, das wie ein Huhn auf dem Hackstock liegt. Ein anderes Land will ihm den Kopf abschlagen. Aber das Land will seinen Kopf nicht hinhalten. Es hat ein Gesicht, das die Welt ansieht. Es hat eine Stimme, die um Waffen bittet. Es hat den Mut, sich zu verteidigen. <Das Huhn bietet seinem Metzger die Stirn.>, sage ich.

Mein Freund hört geduldig zu. Der Anblick des hungrigen, alten Mannes verfinstert seine Miene. <Die Kosten für seine Gier sind hoch.>, sagt er. <Die Kosten sind für alle hoch.>, antworte ich. Meine Gedanken schweifen auf meine Haushaltskasse um. Ich lege die Stirn in Falten. Der Krieg treibt die Preise. <Er kostet uns kein Blut.>, ermahnt mich mein Freund.

<Die Menschen beginnen zu murren.>, sage ich. Manche wünschen sich, dass das Land schnell gefressen wird. Sie klammern sich an die Hoffnung, dass wieder Ruhe einkehrt, wenn das Huhn geköpft ist. Mein Freund äußert seine Zweifel daran. Er schlägt keinem Huhn den Kopf ab, wenn er Hunger hat. Er legt keine Städte in Schutt und Asche, wenn ihm der Magen knurrt. Er geht zum Kühlschrank, um satt zu werden. Aber er weiß, dass der Hunger in ihm jedes Mal zurückkehrt.

Das Bild des Hühnermetzgers flimmert über den Bildschirm. Er hält eine Pressekonferenz ab. Man kann den Hunger in seinen Augen ablesen. <Die Welt muss ihn in die Schranken weisen.>, sagt mein Freund. <Wie soll das gehen?>, frage ich. <Man muss das Huhn vor ihm retten.>, sagt mein Freund. <Sonst wird er nicht aufhören zu fressen.>

Ich kenne meinen Freund. Seine Entschlossenheit bringt mich manchmal zur Verzweiflung. Er hat seinem eigenen Hunger den Kampf angesagt. Ich gehe nur noch selten einkaufen. Langsam leert sich der Kühlschrank. Nach einigen Wochen gibt sich der Hunger mit kleinen Portionen zufrieden. Mein Freund magert ab. Die Hemden spannen sich nicht mehr um seinen Bauch. Die Hosen schlottern an ihm herab. Er findet Gefallen daran, gegen seinen Hunger zu kämpfen. Es lenkt ihn von seinem Kummer ab.

Den Krieg kümmert der leere Kühlschrank in unserem Haus nicht. Er dauert mit unerbittlicher Härte an. Der Hunger des alten Mannes fordert jeden Tag Menschenleben. Das Huhn liegt immer noch auf seinem Hackstock. Aber es fügt sich nicht in sein Schicksal. Es flattert wild mit den Flügeln. Es hackt mit dem Schnabel nach seinem Peiniger. Es setzt ihm die Krallen in die Haut. Die Hiebe des Metzgers verfehlen seinen Kopf. Sie reißen ihm nur die Federn in Fetzen.

<Eines Tages wird er an ihnen ersticken.>, sagt mein Freund. <Sein Hunger frisst jeden Tag Menschen.>, antworte ich. <Alle Kriege fressen Menschen.>, erwidert mein Freund. <Aber sie ersticken daran. Jeder Krieg erstickt an seinen Toten.> Ich blicke auf die Bilder in den Nachrichten. Ich sehe keinen Krieg mehr. Ich sehe nur noch ein großes Fressen.