
„Ihr könnt euch ein Luftschloss bauen.“, flüsterte die Großmutter beim Frühstück dem Fräulein „So-La-La“ heimlich ins Ohr, dass es die Mutter nicht hörte.
„Dort könnt ihr dann gemeinsam wohnen. Eine halbes Limonadenglas tief und eine Schokoladenbreite lang. Bis der Mond wieder aus den Wolken taucht und euch nach Hause schickt.“
Das Fräulein „So-La-La“ starrte sie geknickt an. Sie hatte keine Ahnung, wie man ein Luftschloss baute. Schon gar nicht würde die Mutter ihren Garten dafür opfern.
Die Großmutter lachte laut auf.
„Für ein Luftschloss braucht es keine Wiese und keinen Garten.“, erklärte sie ihrer erstaunten Enkelin.
„Sein Fundament liegt in den Wolken. Als Baumaterial genügt etwas Rauch und Spucke. Es hat keine Zugbrücken und keine Wassergräben. Denn in einem Luftschloss, das hoch am Himmel schwebt, muss man keine Feinde fürchten. An diesem Ort ist alles möglich und nichts wirklich.“
Noch am gleichen Abend machte sich das Fräulein „So-La-La“ an die Arbeit.
Das luftige Bauwerk war in Windeseile fertig gebaut. Auf einer Wolke, die sich vor den Mond schob, ragte es bis zum Himmel hoch.
Inmitten von Mauern aus Rauch und Spucke und einem Turm in der Mitte saß sie mit ihrem Vogel auf einer Hängeschaukel und zählte die Sterne, die aus der Dunkelheit leuchteten.
Die gemeinsamen Nächte vergingen wie im Flug.
Der Tag kam, an dem der Vater die Schiene von dem gebrochenen Flügel entfernte.
Die Vertrautheit zwischen ihnen blieb. Jede Nacht sprang der Vogel auf ihre Schulter und blickte aus dem Fenster in die Ferne.
Als der Frühlingswind den Winter aus dem Land blies, hackte er mit dem Schnabel gegen die Gitterstäbe des Käfigs und begann aufgeregt mit den Flügeln zu flattern.
„Dein Freund ist nicht dafür bestimmt, in einem Käfig zu leben.“, bemerkte die Mutter als erste die Veränderung.