Seite 119

Die Reise des Fräulein „So-La-La“

Wie das Fräulein „So-La-La“ dem schlimmsten aller Feinde ins Auge blickt

Eines Morgens machte das Fräulein  „So-La-La“ im Spiegel eine schreckliche Entdeckung. Ihr Gesicht hatte sich über Nacht  in eine  unansehnliche Fratze verwandelt. 

Wenn sie den Mund öffnete, offenbarte die Zahnlücken den Blick auf eine schaurige Ruinenlandschaft.
Je länger sie das Spiegelbild betrachtete, umso unansehnlicher erschien es ihr.
Ihre Stupsnase ragte wie ein Schornstein aus ihrem Gesicht. Die Augen waren zu vertrockneten Rosinen geschrumpft. Und die Ohren blähten sich zu riesigen Segeln auf.

Das Fräulein „So-La-La“  stieß einen Schluchzer aus. Ob sie sich in Posen warf oder ihr schönstes Lächeln versuchte. Jeder Blick in den Spiegel brachte neue Scheußlichkeiten zum Vorschein.

Die Bürsten und Kämme fochten einen aussichtslosen Kampf gegen das rotbraune Gestrüpp auf ihrem Kopf. Verzweifelt versuchte sie, ihr Spiegelbild mit Lippenstiften und Make-up-Cremen  aus dem mütterlichen Schminkkoffer auszubessern.

„Mit dieser Maske könntest du als Zirkusclown auftreten.“, erschrak sich der Vater an dem mit Rouge und Wimperntusche zugeschmierten  Gesicht.

Die Mutter zeigte weniger Respekt.  Sie bestrafte den Verlust ihrer besten Salben, Make-ups und Lippenstifte mit einer Woche Fernsehverbot.

Neidvoll starrte das Fräulein „So-La-La“  auf ihre Lieblingspuppe.  Eine Zahnlücke oder eine schiefe Nase kümmerten sie nicht?  Ob auf ihrer Haut ein Fettfleck glänzte oder eine Naht geplatzt war.  Für alles fand sich in der Puppenkiste das passende Ersatzteil.

Hatte sich eine Puppe zu dick gefressen,  schnitt man  den Stoff auf und nahm die überflüssige  Füllung heraus.  Im Handumdrehen  passte die Glückliche wieder in ihre Sommergarderobe. Wenn ihr  Gesicht durch einen  riesigen Zinken  oder ein spitzes Kinn  verunstaltet war,  drehte man ihr mit wenigen Handgriffen einen neuen Kopf auf den Hals.  

Fortsetzung SEITE 120