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Die Reise des Fräulein „So-La-La“

Als ihre Schilderung die Stelle erreichte, wo der Riese  aus dem Fenster stürzte, unterbrach sie die Mutter.

„Woran du dich zu erinnern glaubst, ist nicht wirklich passiert. Es hat keinen Zufall gegeben. Das Fieber hat dir diesen Unsinn vorgegaukelt.“   

Das Fräulein „So-La-La“ widersprach heftig.

Ein lautes Knacksen ertönte im Raum.  Innerhalb von Sekunden erschütterte ein ohrenbetäubender Knall  die Wände. Ein tropfnasser Lappen klatschte dem Fräulein „So-La-La“ ins Gesicht.

 „Der Riese hat nur in deinem Kopf existiert.“, tobte die Mutter mit hochrotem Kopf an ihrem Bett.

Im  nächsten Moment brach sie in bittere Tränen aus. Minutenlang saß sie regungslos an der Bettkante und sprach kein Wort.

Nachdem sie ihren gerissenen  Geduldsfaden notdürftig zusammengeflickt hatte, schilderte die Mutter die Ereignisse, wie sie sich wirklich zugetragen hatten.

Im Fieberwahn hatte sich das Fräulein „So-La-La“ an der riesenhaften Gestalt des Arztes  erschrocken, der mitten in der Nacht an ihr Bett geeilt war.

„Wir mussten dich an Armen und Beinen festhalten. Du hast den armen Mann  gekratzt und gebissen und gedroht, ihn aus dem Fenster zu werfen.“,  sagte die Mutter.

Das Fräulein „So-La-La“ schüttelte ungläubig den Kopf.  Zu lebhaft hatte sich der nächtliche Kampf mit dem Riesen in ihr Gedächtnis eingebrannt.

Die Mutter benötigte viel Geduld, um sie vom Gegenteil zu überzeugen. Behutsam führte sie dem Fräulein „So-La-La“ die Widersprüche ihrer Erinnerung vor Augen.    
Im Zimmer fanden sich nirgendwo Spuren eines Kampfes. Die Bücher standen Rücken an Rücken im Regal. Das Fahrrad unter dem Fenster glänzte ohne einen Kratzer im Blech.

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