
Der Gedanke, von der eigenen Tochter für eine Mehr-Jungs-Frau gehalten zu werden, war ihr unerträglich. Ihr letzter Blick galt dem neuen Terminkalender, der auf dem Nachtkästchen zum Gegenangriff bereit lag.
„Keine freie Minute soll er mehr darin finden, um ein kleines Mädchen ins Unglück zu stoßen.“, schwor sie ihrem Gegner finstere Rache.
Zwischenspiel
Mein nächtlicher Besuch blickte mich von der Bettkante mit ernster Miene an.
„Manchmal sucht man den Feind an der falschen Stelle.“, sagte sie.
„Dann verliert man den wahren Gegner aus dem Auge.“
„Der Mutter blieb keine andere Wahl.“, antwortete ich.
Es fiel mir schwer, die Wahrheit einzugestehen. Im Rückblick bedauerte ich den Kummer, den ich ihr bereitet hatte. Ich war es, der sie angestachelt hatte, dem Zufall die Stirn zu bieten. Meine Hand auf der Tastatur hatte dem Fräulein „So-La-La“ den verhängnisvollen Satz in den Mund gelegt. Ich hielt ihn für einen gelungenen Scherz. Die Konsequenzen waren für mich bei nicht absehbar, als ich ihn niederschrieb.
Endlose Stunden hatte ich über ich den Fortgang der Geschichte gebrütet. Mehrmals war ich versucht gewesen, die Löschtaste zu drücken. Aber meine Reue kam zu spät. Der rote Faden, der sich durch jede Geschichte zieht, führte unbarmherzig seine Regie. Es gab kein Zurück mehr. Ich hatte ein Unglück heraufbeschworen, das sich nicht mehr aufhalten ließ.
Die Geschichte, die an meiner Bettkante saß, ließ sich nicht anmerken, ob sie mir meine Leichtfertigkeit nachtrug.
Es lagen nur noch wenige Zeichnungen in der Mappe. Sie griff nach einem Blatt.
„Manchmal braucht es den Schmerz, damit etwas Größeres entstehen kann.“, sagte sie.
In ihrer Stimme schwang keine Bitterkeit. Ihre Worte nahmen mir die Last fort, die seit den Tagen, als ich mich auf die Seite des Zufalls schlug, auf meiner Seele lastete.