
Wie das Fräulein „So-La-La“ herausfindet, dass ihre Zunge kleckst
„Als ich jung war, kannte ich einen Maler, der keinen Pinselstrich zustande brachte“, versuchte die Großmutter das Fräulein von ihrem Kummer mit dem verrückten Clown in ihrem Mund abzulenken.
Aus dem grauen Schleier, der über ihrem Kopf schwebte, erhoben sich die Umrisse eines Malers, der mit einem Pinsel in der Hand auf eine leere Leinwand starrte.
„Es mangelte ihm der Mut für den ersten Strich.“, schilderte die Großmutter seine Verzweiflung.
„Sie machte es ihm unmöglich, die Bilder in seinem Kopf auf eine Leinwand zu übertragen.“
Mitleidig blickte das Fräulein „So-La-La“ den Maler an, der in der Rauchwolke an der Decke schwebte. Im Rauch, der ihre Nase kitzelte, roch sie die Angst, die ihm aus allen Poren rann.
Es war schwer, einen verrückten Clown im Mund ertragen zu müssen, dachte sie. Aber wieviel schlechter erging es einem Maler, der den Anblick einer leeren Leinwand nicht ertrug.
„Der arme Mann.“, zeigte sie sich über sein Schicksal betrübt.
„Aus ihm ist ein berühmter Künstler geworden.“, belehrte sie die Großmutter.
„Seine Bilder hängen in den größten Museen der Welt.“
Der Maler, der über dem Fräulein „So-La-La“ auf der Decke schwebte, schwang seinen Pinsel auf der Leinwand. Mit Bravour zog er seine Striche.
Aus der Leinwand lachte sie ein Gesicht an, das ihr zum Verwechseln ähnlich sah. Verlegen senkte das Fräulein „So-La-La“ den Blick.
„Eines Tages hatte der Maler eine Idee.“, lüftete die Großmutter das Geheimnis, wie es dem Maler gelungen war, seine Angst zu überlisten.
„Er begann seine Bilder mit einer Binde vor den Augen anzufertigen. Anfangs gelangen ihm damit nicht mehr als wirre Kleckse. Aber je öfter er sich an der Staffelei versuchte, desto kräftiger gerieten seine Pinselstriche.
Und an manchen Tagen entdeckte er ein wunderschönes Bild auf der Leinwand. Als er nach unzähligen Anläufen vergaß, die Binde anzulegen, erschrak er sich nicht mehr an der leeren Leinwand. Er hatte gelernt, seiner Hand zu vertrauen. Von diesem Tag an verlor die Angst ihre Macht über ihn.“