Seite 86

Die Reise des Fräulein „So-La-La“

Auf dem Bildschirm  begannen die Menschen fröhliche Grimassen zu schneiden und sich gegenseitig in die Arme zu fallen.
Vielleicht schöpften sie in der Antwort der Großmutter die Hoffnung, dass auch in ihrer Welt eines Tages ein Mädchen geboren wurde, das die Farbe in ihre triste Welt brachte, fühlte das Fräulein „So-La-La“  einen ungeheuren Stolz in sich.

Der Riese wischte sich den Schweiß von der Stirn.  Nie zuvor hatte er einen größeren Berg versetzt.

Am Abend verriet das Fräulein „So-La-La“  der Mutter kein Wort von dem Zauber, den sie beherrschte.  
Ihr Geduldsfaden war noch zu dünn, um einer neuerlichen Belastung standzuhalten. 

Gegenüber ihrer Lieblingspuppe verhielt sich das Fräulein „So-La-La“  weniger schweigsam.
Der Riese in ihrem Kopf sonnte sich in seinem Triumph.

„Ich bin enie  mähctige Zuaberin.“,   schwärmte sie ihrer verschwiegenen  Zuhörerin  vor.
„Ich hbae die Frabe in die Wlet gebarcht.“

Bei der Puppe wusste das Fräulein „So-La-La“ das Geheimnis  in sicheren Händen. Ihre Ohren waren verschlungener als die tiefsten Brunnen. Was man in sie hineinflüsterte, fand nie wieder ans Tageslicht.
Aber noch viel mehr vertraute das Fräulein „So-La-La“  dem Etikett, das sie auf dem Rücken der Puppe entdeckt hatte.  Seine Bedeutung hatte ihr die Großmutter erklärt.

„Made in China.“, stand dort in fetten Buchstaben zu lesen.

Ihre Lieblingspuppe war eine waschechte  Chinesin. Und vom Chinesischen verstand die Mutter kein einziges Wort. 

Zwischenspiel

„Ich habe mich auf meiner Reise oft gefragt, was aus der Puppe geworden ist.“, seufzte die Geschichte an meiner Bettkante.
„Es geht ihr gut.“, antwortete ich.
„Ich habe sie im Stich gelassen.“, zeigte sich die Geschichte reuig.
Seltsam, dachte ich. Auch Geschichten werden von einem schlechten Gewissen geplagt.
„Sie wartet bis heute in deinem Zimmer geduldig auf deine Rückkehr.“, tröstete ich sie.
„Wenn ich eines Tages in einem Regal stehe, möchte ich sie bei mir haben.“, äußerte die Geschichte eine ungewöhnliche Bitte.
Ich versprach ihr, den Wunsch zu erfüllen.


Fortsetzung SEITE 87