Der Bär und der Drache – Teil 2

Der Bär und der Drache begegneten sich an einem See wieder. Nach einer kurzen Begrüßung setzten sie sich in den Schatten eines Baumes. Als die Badegäste ihre Anwesenheit bemerkten, flohen sie Hals über Kopf. Der Drache blickte traurig auf den leeren Badesee.

<Die Menschen fürchten mich, weil ich Feuer spucke.>, seufzte er. Der Bär teilte die gleichen Erfahrungen. <Bei mir wechseln sie die Straßenseite, wenn ich auftauche.>, tröstete er den Drachen. <Warum haben sie Angst vor dir?>, fragte der Drache. <Ich liebe ihre Honigtöpfe zu sehr.>, lachte der Bär und klopfte mit der Pranke gegen seinen mächtigen Bauch. <Als hätten sie nicht genug davon.> empörte sich der Drache.

Der Bär legte seine Stirn in Falten. So konnte er besser denken. Dann fasste er den Drachen an der Hand und ging mit ihm in den See, bis ihnen das Wasser bis zu den Hüften stand. <Im Wasser kannst du kein Feuer spucken.>, sagte er. Der Drache lächelte und umarmte den Bären. <Solange ich dich festhalte, kannst du keine Honigtöpfe stehlen.>, hauchte er ihm ins Ohr. <Du bist der klügste Drache, dem ich jemals begegnet bin.>, flüsterte der Bär. <Warum?>, fragte der Drache. Der Blick in seinen Augen verriet, dass er die Antwort bereits wusste. <Weil du meine Absicht durchschaut hast.>, sagte der Bär.

Sie küssten sich lange. Der Drache spuckte kein Feuer. Und der Bär ging nicht in Flammen auf. Nach dem Bad sanken sie am Ufer ins Gras. Als die Nacht anbrach, erhob sich der Drache. Er trank einen großen Schluck aus dem See. Der Bär trat an ihn heran und bespritzte sein Fell, bis es nass glänzte. Der Drache beobachtete ihn mit einem traurigen Blick. <Bären und Drachen können sich nicht lieben.>, seufzte er. <Wir könnten es versuchen.>, erwiderte der Bär. <Ich spucke Feuer.>, antwortete der Drache und strich dem Bären über das nasse Fell. <Ich gehe gern in Flammen auf.>, erwiderte der Bär.

Der Drache biss sich die Lippen schmal, um nicht auszusprechen, was er dachte. <Wir sind zu verschieden.>, brach er sein Schweigen. Der Bär spülte seine Enttäuschung mit einem Schluck Wasser aus dem See hinunter. <Du könntest jede Nacht auf einem Bärenfell schlafen.>, unternahm er einen neuen Anlauf, den Drachen für sich zu gewinnen. Der Drache quittierte seinen Vorschlag mit einem lauten Lachen. <Du würdest jeden Morgen neben einem Drachen aufwachen.> Der Bär stimmte in das Gelächter des Drachen ein. <Das ist mir schon oft passiert. Aber ich habe ich es immer erst am Morgen danach bemerkt.>, sagte er und setzte ein breites Grinsen auf.

Der Drache setzte sich neben dem Bären ins Gras und küsste ihn. <Bereust du es, die Nacht mit einem Drachen verbracht zu haben?> Der Bär blickte dem Drachen tief in die Augen. <Ich finde den Gedanken schön, mit jemanden zu schlafen, von dem man weiß, was er sein wird, wenn man neben ihm aufwacht.>, sagte er. <Auch wenn es ein feuerspuckender Drache ist?>, bohrte der Drache nach. <Dein Feuer ist das schönste Geschenk meines Lebens.> sagte der Bär und strahlte den Drachen mit einem verträumten Lächeln an.