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Die Reise des Fräulein „So-La-La“

Die puppenhafte Fassade ihrer Erscheinung verschleierte jedoch mehr als sie offenbarte. Denn hinter den blaugrünen Augen verbarg sich die Betriebsamkeit eines glasklaren Verstandes, der seinem Alter weit vorausgeeilt war.

Den Kern bildete ein Räderwerk, das mit der Genauigkeit eines Schweizer Uhrwerks lief. Es war imstande, die kompliziertesten Gedanken zu fabrizieren.

Doch sobald das Fräulein „So-La-La“ den Mund aufmachte, überschlug sich ihre Stimme, als würde sie über Steine stolpern. Die Worte und Sätze verrutschten zu einem Buchstabenwirrwarr, dessen lautmalerisches Durcheinander auch für geübte Ohren nicht zu enträtseln war. Der Clown in ihrem Mund genoss seinen Triumph in vollen Zügen.  

Mit dem Eifer eines fiebrigen Bildhauers zertrümmerte er jeden Laut, der in seine Fänge geriet. Komische Figuren waren sie allesamt in ihren seltsamen Verdrehungen und Verrenkungen.
Am allerlustigsten waren sie anzusehen, wenn sie der Vater des Fräulein „So-La-La“ auf Papier festhielt.

„Ich wusste gar nicht, dass Wörter Grimassen schneiden können.“, lachte er.

Das Leben der bedauernswerten Geschöpfe währte meist nicht länger als das Leuchten einer Sternschnuppe. Kaum stolperten sie dem Fräulein „So-La-La“ über die Lippen, wurden sie vom Lärm der Welt verschluckt.

Kein menschliches Ohr hat je wieder von ihnen gehört. Den allerwenigsten dieser sonderbar klingenden Tongeschöpfe war eine Wiederholung vergönnt. Als ahnten sie ihr kurzes Dasein, genossen sie den zweifelhaften Ruhm, der ihnen zuteil wurde. In der Pose eitler Schauspieler badeten sie im Applaus eines belustigten Publikums.

Hin und wieder ergriffen allzu zwielichtige Klänge die Gelegenheit beim Schopf, um in die Freiheit zu entwischen. Aus dem Mund des Fräulein „So-La-La“ kroch dann Ungeheuerliches, das Gänsehaut hervorrief und Haare zu Berge stehen ließ.

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