Die Geschichte vom Opa – Teil 2

Mein Opa war ein Held. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, dies selbst von sich zu behaupten. Ebenso wenig wie er darauf bestanden hätte, seine Pflicht erfüllt zu haben. Es blieb ihm wie den meisten anderen seiner Generation keine andere Wahl.

Er hat sechs Jahre im Krieg gekämpft. Mit einem deutschen Stahlhelm auf dem Kopf. Der Krieg hat ihn nicht zum Helden gemacht. Er kam halbverhungert in zerfetzten Lumpen nach Hause. Helden sehen anders aus.

Mit den Zigaretten, die er nach dem Krieg rauchte, versuchte er, das Zittern seiner Hände zu beruhigen. Die Gespenster, die ihn nachts heimsuchten, bekämpfte er mit Bier und Wein. Wenn die Oma dagegen anschimpfte, zuckte mein Opa bloß mit den Schultern.

<Das habe ich dem Stahlhelm zu verdanken.>, lautete seine Rechtfertigung.

Als ich meinen Opa kennenlernte, hatte meine Oma ihren Kampf schon aufgegeben. Die Macht des Stahlhelms reichte weit über den Krieg hinaus. Mein Opa bildete keine Ausnahme. Es war eine Zeit, in der viel geraucht und getrunken wurde. Vielleicht entspricht es der Wahrheit, dass der Stahlhelm vielen Männern im Granantenhagel das Leben gerettet hat. Aber er hat noch mehr von ihnen zu Rauchern und Trinkern gemacht.

Manchmal schickte mich mein Opa los, um Zigaretten beim nahen Wirt zu besorgen. Ich war zehn Jahre alt. Der dicke Wirt hinter dem Tresen, den alle Wamperlwirt riefen, stellte keine Fragen. Ich kaufte vier Schachteln der Marke Dreier ohne Filter. Das entsprach dem Tagesbedarf meines Opas. Für meinen Botendienst gab es jedes Mal einen Schokoriegel mit grüner oder blauer Schleife aus der Vitrine.

Mein Opa führte eine kleine Landwirtschaft. Durch das Vieh im Stall füllte sich die Jauchegrube neben dem Haus sehr schnell. Einmal im Monat schöpfte sie mein Opa leer und verteilte den Inhalt auf das angrenzende Feld. Er verwendete dafür eine selbst gebastelte Schöpfkelle. Es war eine lange Stange, an deren Ende ein Topf angeschraubt war, um die Gülle abzuschöpfen. Ich schenkte dem schmutzigen Ding wenig Beachtung. Es war ein Werkzeug, das seinen Zweck erfüllte. Wenn die Schöpfstange nicht gebraucht wurde, lehnte sie unbeachtet in einer Ecke im Stall.

Eines Tages hatte ich die verrückte Idee, mit der Stange einen Fisch aus dem Bach zu fangen. Als ich sie ins Wasser tauchte, wusch sich die Dreckkruste ab, die sich auf dem Topf gebildet hatte. Das Wasser gab ihm die ursprüngliche Form zurück. Ich traute meinen Augen nicht, als das blanke Metall darunter zum Vorschein kam. Mein Opa schöpfte seine Jauche mit einem deutschen Stahlhelm ab.

Jedes Mal, wenn ich seither im Fernsehen die alten Wochenschaubilder der marschierenden Soldaten mit ihren stahlblitzenden Helmen sehe, muss ich an die Schöpfkelle meines Opas denken.

Mein Opa war ein Held. Durch ihn habe ich meine erste Geschichtslektion gelernt. Er hat mir gezeigt, wofür ein deutscher Stahlhelm wirklich taugt.