Seite 95

Die Reise des Fräulein „So-La-La“

Einmal antwortete sie mit einem mitleidigen Stoßseufzer.  Ein anderes Mal blickte sie mit  hochgezogenen Augenbrauen  von ihrer Lektüre hoch, bevor sie mit gestrecktem Zeigefinger die  Seite umblätterte.   
Nervös stopfte sich das Fräulein „So-La-La“ ein Frühstücks-brötchen in den Mund.   

Explosionsartig quoll der Bissen  zwischen ihren Zähnen zu einem zähen Brei auf. Binnen Sekunden verfestigte er sich zu einer betonharten Masse.

„Mpfmpfmpf.“,  stöhnte das Fräulein  „So-La-La“.
Sie brachte  keinen Ton mehr über die Lippen. Verzweifelt versuchte sie, die  Großmutter auf ihre Notlage aufmerksam zu machen.

Oma Rosa blickte teilnahmslos von ihrer Zeitung hoch.  

Nun ging dem Fräulein „So-La-La“ ein Licht auf. Die überstürzte Flucht ihrer Eltern war ein abgekartetes Spiel. Sie war einem Hinterhalt in die Falle gegangen. 

Ihr Blick schwenkte zu dem Teller hinüber, auf dem sich die Frühstücksbrötchen stapelten.  Unter einer hauchdünnen Schicht aus Schokolade versteckt, glänzte  ein dicke Geleeschicht.

„Mpfmpfmpf.“, rumorte es in  ihrer Kehle.
Die Übersetzung ließ sich an ihrer Miene ablesen. Es war die unverhohlene Drohung,  ihrem Gegenüber  mit den Fingernägeln das Gesicht blutig zu pflügen.
Inzwischen war der Brei  zur Gänze ausgehärtet.  Wütend fegte das Fräulein „So-La-La“ den Teller vom Tisch.

Die Großmutter blickte sie verständnisvoll an und schüttelte den Kopf.  Dann widmete sie sich wieder ihrer Lektüre.
Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie die letzte Seite umgeblättert hatte. Oma Rosa faltete die Zeitung zusammen und nahm die Brille von der Nase.
Schweigend bückte sie sich nach ihrer Tasche und kramte ein  Paar Gummihandschuhe  heraus.
„Wer seine eigene Mutter mit allerschlimmsten Fragen von den Beinen holt, hat den Mundtotmacher verdient.“, seufzte sie.

Fortsetzung SEITE 96