Der Bär und der Drache hatten sich viel zu erzählen.
„Meine Seele stand lange unter Wasser. Ich habe viel geweint.“, gestand der Drache eines Tages ein
„Warum?“, fragte der Bär teilnahmslos, ohne den Blick zu heben.
Es war die einzige Frage, die ihm einfiel.
Er sah sich bereits den Teller Spaghetti verschlingen, den er vor sich stehen hatte.
Sein Fell war zu dick, um das Knistern auf seiner Haut zu spüren, das in der Luft lag. Das Knurren seines Magens übertönte die Alarmsirene, die in seinem Kopf losheulte
„Ich habe den Falschen geliebt.“, antwortete der Drache.
Die kleine Stichflamme, die aus seinen Mund züngelte, hätte jeden, der Umgang mit Drachen pflegte, zur Vorsicht gemahnt.
Aber der Bär war zu beschäftigt damit, seine Gabel um die Spaghetti zu wickeln, um die Gefahr zu bemerken
„Bist du an den falschen Bären geraten?, goss er Öl ins Feuer
Der Drache starrte den Ihn entgeistert an.
„Warum sollte ich einen Bären lieben?“, lautete die wenig schmeichelhafte Antwort.
Dem Bären blieben die Spaghetti, die er sich gerade in den Mund geschaufelt im Hals stecken.
Da war wieder der Zweifel , der seit Tagen in seinem Kopf hämmerte.
Es war nicht vorgesehen, dass Bären und Drachen einander suchten.
„Es war ein Drache, der mich zum Weinen gebracht hat.“
Der Bär gab keinen Mucks mehr von sich.
Der Drache erzählte weiter.
„Er hatte ein wunderbares Feuer. Wenn wir uns geliebt haben, schoss seine Flamme bis zum Himmel hoch“
Der Bär spürte seine Chancenlosigkeit gegen diesen übermächtigen Gegner.
Ist er gestorben?“, setzte er in seiner Verzweiflung auf eine glückliche Fügung .
Aus dem Mund des Drachen paffte eine Stichflamme. Geistesgegenwärtig drückte der Bär sein Gesicht in den Spaghetteller. Die Feuersbrunst rauschte haarscharf über ihn hinweg.
„Wäre es bloß so geschehen. Dann könnte ich an seinem Grab weinen.“, schluchzte der Drache, während er mit einer Serviette das Feuer in seinem Mund erstickte.
„Aber er ist quicklebendig und sein Gesicht grinst mich jeden Tag aus der Zeitung an“
Das Gesicht des Böten sah aus, als hätte es jemand blutig geschlagen. In seiner verzehrten Miene spiegelte sich der Schmerz der Schläge. Aber es war nur Spaghettisauce. Die Lächerlichkeit, der er sich preisgegeben sah, hätte nicht größer sein können.
Verschämt wischte er sich die Schande aus dem Gesicht.
„Was ist passiert?“, startete er einen Versuch, von sich abzulenken.
Der Drache schien durch ihn hindurch zu sehen, als wäre er aus Glas..
„Sein Feuer hat zu viele Betten in Brand gesteckt.“ , fauchte er.
Er hielt sich die Hand vor dem Mund, um einer weiteren Feuersbrunst vorzubeugen.
„Dieser Schuft.“, empörte sich der Bär über den schändlichen Betrug des untreuen Geliebten.
Insgeheim freute er sich jedoch beinahe über dessen Neigung, sein Feuer in fremden Betten zu verbreiten. Die Leidenschaft mochte moralisch verwerflich sein. Aber gleichzeitig war es ihr zu verdanken, dass ein Bär in ein Drache sich begegnet waren.
„Hast du ihn in Schutt und Asche verwandelt.“, stellte sich der Bär demonstrativ auf die Seite des Drachen.
Der Drache blickte ihn mit glasigen Augen an.
„Das hätten andere an meiner Stelle getan.“, sagte er
„Aber mein zweiter Vorname ist Sanftmut“
Der Bär verstand.
„Du hast ihn mit heiler Haut davonkommen lassen.
Der Drache nickte.
„Ich habe meine Sachen gepackt und bin wieder dem roten Faden gefolgt, bis ich dich getroffen habe.“
Der Bär streckte dem Drachen seine Pranke entgegen. In seinen Augen rollte Mitgefühl.
Der Drache schüttelte den Kopf.
„Mich kann niemand trösten. Er war die Liebe meines Lebens.“, verweigerte er den Trost.
Der Bär zog seine Pranken unter den Tisch zurück. Der verzehrte Ausdruck in seinem Gesicht gab den Schmerz preis, mit dem sich die Worte des Drachen durch seine Gedanken wühlten.
In seinem Kopf stürzte Ein Luftschloss vom Himmel und löste sich in Rauch und Nebel auf.
Er schob den Spagettiteller zur Seite.kann Die herbe Abfuhr hatte sich ihm auf den Magen geschlagen.
Gibt es keinen Weg, deinen Schmerz zu lindern.“ fragte er.
„Vielleicht kannst du mir doch helfen.“, lenkte der Drache ein.
Es klang nicht, als würde er auf wirkliche Unterstützung hoffen. Ehe war es der Versuch, den Bären über den Verlust seines Luftschlosses hinweg zu helfen .
„Du könntest mir eine Schere schenken.“
Der Bär starrte den Drachen mit großen Augen an. Hatte er etwas falsch verstanden.
„Du musst keine Angst haben.“, klärte der Drache das Missverständnis auf.
„Ich tue ihm nichts an damit. Ich will ihn mir nur zurecht schneiden.“
Der Drache,dessen Leidenschaft es war, fremde Betten in Brand zu stecken, war eine Berühmtheit in der Stadt.
Beinahe täglich lachte sein Gesicht aus einer Zeitung heraus“
Mit ungläubigem Staunen lauschte der Bär den Ausführungen des Drachen. Die präzisen Anleitungen und die genauen Maßeinheiten, die er nannte, ließen keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines Vorhabens.
„Du willst ihn wirklich an dieser Stelle haben?“, fragte der Bär.
Das Gesicht, das er zog, sprach ein deutliches Urteil, wie wenig ihm der Gedanke gefiel.
„Er hat es nicht besser verdient.“, knurrte der Drache zurück.
Nun hielt es der Bär nicht länger aus. Er platzte förmlich vor Lachen
„Das ist die beste Rache, von der ich je gehört habe.
Der Drache blickte ihn mit eisiger Miene an. Es war ihm nicht nach Lachen zumute. Rache zu nehmen war ein zu ernstes Geschäft.
„Ich will, dass du mir eine goldene Schere besorgst mit einer Kette daran.“erteilte er dem Bären genaue Anweisung für die notwendigen Besorgungen.
Die Schere war für einen einzigen Zweck gedacht . Die Kette diente dazu sie fix mit ihrem Bestimmungsort zu verbinden.
Auf die Frage, warum es eine goldene Schere sein musste, antwortete der Drache mit einer Bestimmtheit, die jeden Widerspruch im Keim erstickte.
„Weil er mir alles bedeutet hat.. Wenn ich ihn mir zu Toilettenpapier zurecht schneide, soll er das wissen.“
Der Bär nickte eilfertig und verzichtete auf weitere Fragen
Der Blick auf seinen Teller erleichterte ihn. Er war froh, die Spaghetti nicht in seinem Magen zu wissen. So musste er sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, wer ihn fortan aus dem Toilettenpapier des Drachen anstarrte.