Die Frau am Fluss

Mein Freund ist nicht schüchtern. Er trägt sein Herz auf der Zunge. Menschen kennenzulernen, fällt ihm leicht. Er redet und lacht gerne. Nie bleibt er lang alleine. Frauen kreuzen oft seine Wege. Viele begleiten ihn zu kurz, um sich die Namen zu merken. Manchmal erscheinen sie ihm wie Buchstaben ihm Alphabet. Sie verblassen schnell. Eine ist ihm in Erinnerung geblieben. Er hat sie längst aus den Augen verloren. Wenn er von ihr erzählt, öffnet sich sein Herz.

Mit ihr war es anders, sagt er. Mit ihr habe ich in die Zukunft gesehen. Er begegnete ihr in einem Kirschbaumgarten. Es war die Zeit, als die Geschäfte und Restaurants schließen mussten, weil ein Virus die Welt verrückt machte.

Sie wäre für ein Jahr bei ihm geblieben, erzählt mein Freund. Dann habe sie an einer Kreuzung einen anderen Weg genommen. Er habe für einen Augenblick nicht aufgepasst. Als er sich nach ihr umdrehte, war sie verschwunden. Seither wäre er ihr nicht mehr begegnet. Aber er würde immer noch an jeder Kreuzung nach ihr Ausschau halten.

Es waren unbeschwerte Tage mit ihr, sagt mein Freund. Gemeinsam haben sie abgesperrte Städte besucht. Hand in Hand spazierten sie durch leere Straße. Ihre Verpflegung trugen sie in einem Rucksack mit sich. Er fühlte sich verliebt. Bis sie der Frau am Fluss begegnet sind. Dann war alles anders, sagt mein Freund. An dem Tag begannen die Banalitäten.

Es ist nicht leicht, mit meinem Freund zu streiten. Er verhält sich wie ein Boxer, der alle Schläge einsteckt. Aber er geht nicht zu Boden. Wenn der Gegner erschöpft ist, fängt er ihn mit den Armen auf. Man kann ihm nicht böse sein.

Am Fluss, der die Stadt kreuzt, hatte sie sich müde geredet, sagt mein Freund. Sie suchten sich einen Platz am Ufer. Das Picknick versöhnte sie. Sie lachten küssten sich wieder. Bis mein die Frau bemerkte, die auf einem Stein saß und sie beobachtete.

Er habe sofort die Ähnlichkeit an ihr bemerkt, sagt mein Freund. Die gleiche Figur. Das Gesicht schmal wie ihres. Die blonden Strähnen. Aber in etwas unterschieden sie sich. Die Kleider der Frau waren zerlumpt. Wenn sie lachte, öffnete sich ein schwarzer Mund. Sie hatte keine Zähne mehr.

Mein Freund ist kein Spinner. Er liest Zeitungen. Er verfolgt die Nachrichten. Er vertraut seinem Verstand. Wenn er etwas nicht versteht, fragt er nach. Wenige Blicke reichten ihm, um ein Gespräch mit der Bettlerin zu beginnen.

Sie machte einen klugen Eindruck, Frau, sagt mein Freund. Sie hat nicht immer auf der Straße gelebt. Es ging ihr einmal gut. Was ist passiert?, frage ich nach. Sie hat eine falsche Entscheidung getroffen.>, antwortet mein Freund. Das Leben besteht aus Kreuzungen. An jeder Kreuzung trifft man eine Entscheidung, welchen Weg man weiter geht.

Ich denke nach. Ich habe kennengelernt. Aber in seinen Augen spiegelt sich ihr Bild. Er muss sie geliebt haben.

Mein Freund mag die Frauen. Sie mögen ihn auch. Bis er ihnen zu mühsam wird. Ein Boxer, der alle Hiebe einsteckt, ist schwer zu ertragen.

Er habe an dem Tag in die Zukunft gesehen, sagt mein Freund. Er hätte sie sofort wieder erkannt. Und nichts dagegen getan, dass sie sich müde schlägt an mir.

Auf der Heimfahrt waren wir heiter, reißt mich seine Stimme aus den Gedanken. Über Telefon haben wir chinesisches Essen bestellt. Es wurde ein schöner Abend. Aber bei jedem Blick in ihr Gesicht sah er die Frau am Fluss.

Welche Zukunft, frage ich. Mein Freund schüttelt den Kopf. Er weiß es nicht mehr, antwortet er. Es ist zu lange her, um sich noch daran zu erinnern. Manchmal ist